SECHZIGMÜNCHEN.
 

Blick zurück: Saison 2005/2006.

Einschließlich November lief bei den Löwen in der Saison 2005/2006 alles nach Plan, dann kam der Absturz. Finanziell sah es auch düster aus. 

Beinahe hätte es die Löwen in der Spielzeit 2005/2006 auch in der Zweiten Liga erwischt. Trotz einem Zuschauerschnitt von fast 42.000 in der neuen Arena gerieten die Sechzger nach der Entlassung von Trainer Rainer Maurer unter Walter Schachner nochmals in Abstiegsgefahr. Erst ein mühsames 1:0 am vorletzten Spieltag zu Hause gegen Saarbrücken befreite sie von den sportlichen Sorgen. Dafür wurden die wirtschaftlichen immer drängender.

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Nach dem in der Saison zuvor der Aufstieg knapp verpasst worden war, gingen die Löwen optimistisch in die Spielzeit 2005/2006. Reiner Maurer und der seit einem Jahr tätige Manager Roland Kneißl verpflichteten nicht, wie ihre Vorgänger ein Jahr zuvor, in Massen neue Spieler, sondern, so hofften sie, sehr gezielt. Aus Burghausen kam Torjäger Stefan Reisinger (15 Treffer), aus Schalke Fabian Lamotte, der das Problem auf der rechten Defensivseite lösen sollte, und aus Frankfurt kehrte Torben Hoffmann zurück. Der Abwehrspezialist hatte bei der Eintracht eine bärenstarke Saison gespielt, den Aufstieg feiern dürfen, wollte aber aus privaten Gründen wieder nach München. Dazu bekamen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs bzw. der Reserve-Mannschaft ihre Chance: Fabian Johnson, Christoph Janker, Björn Ziegenbein, Christian Holzer und der Kanadier Nikolas Ledgerwood.

Und dann gab’s noch einen Neuzugang: Die Allianz Arena. Die neue Heimat der Löwen. „Dort wollen wir den Grundstein für den Wiederaufstieg legen“, sagte Präsident Karl Auer optimistisch. Und es ging auch wie geschmiert los. Nach dem 2:1-Auftaktsieg in Ahlen stürmten 51.200 Zuschauer das Stadion in Fröttmaning zum ersten Heimspiel gegen Hansa Rostock. Und sie bekamen eine wahre Gala geboten. 4:1 gewannen die Sechzger durch Tore von Paul Agostino (2), Michal Kolomaznik und Nemanja Vucicevic gegen den Bundesliga-Absteiger. Danach Begeisterung, wohin man schaute. Auch bei Trainer Reiner Maurer. „Es war ein Super-Fußball-Fest. Und es hat mich mehr an die Champions League erinnert als an die Zweite Liga.“

Im nächsten Heimspiel allerdings folgte der erste Dämpfer. Gegen Dynamo Dresden verloren die Sechzger vor ausverkauftem Haus mit 1:2. Ein Ausrutscher, dachten alle und waren nach dem folgenden 5:2 in Offenbach auch wieder beruhigt. Als anschließend jedoch gegen den SC Freiburg auch das zweite Heimspiel in den Sand gesetzt wurde (0:1), verbreitete sich beim einen oder anderen Nervosität. Das Wort vom „Arena-Fluch“ machte erstmals die Runde. Trotzdem: Mit starken Auswärtsauftritten blieben die Löwen vorne dran und nach dem 2:1 am 14. Spieltag in Karlsruhe eroberten sie sich sogar die Tabellenführung zurück. Ein umso bemerkenswerterer Sieg, da eine Woche zuvor die Meldung veröffentlicht worden war, Stürmer Vucicevic sei nach dem 2:0-Sieg am 12. Spieltag in Burghausen bei der Dopingprobe positiv getestet worden. Er hatte ein Haarwuchsmittel eingenommen, das auf der verbotenen Liste stand, da es einen Wirkstoff enthielt, der Doping verschleiern konnte. Die Löwen bangten jetzt um die drei Punkte, die sie in Burghausen geholt hatten. Vucicevic wurde sofort gesperrt.

Was für ihn den Vorteil hatte, dass er bei der größten Blamage der Saison nicht auf dem Platz stand. Beim 1:4 in der Allianz Arena gegen Unterhaching am 4. Dezember mit zwei Toren von Ex-Löwe Necat Aygün. Es rumorte langsam im Umfeld gegen Reiner Maurer, der es irgendwie nicht mehr schaffte, dass seine Mannschaft vor eigenem Publikum couragiert und dominant auftrat.

Nach der 2:3-Heimniederlage am letzten Vorrundenspieltag gegen Cottbus, bei der alleine Stefan Reisinger eine handvolle hundertprozentiger Chancen versemmelte, schienen die Tage des Trainers gezählt zu sein. Dann aber rettete ihn erst mal der Sieg im Pokal-Viertelfinale in Freiburg (3:1 nach Verlängerung) vor dem Rauswurf. Die Löwen feierten Weihnachten in der Hoffnung, dass im neuen Jahr alles besser werden würde.

Ein frommer Wusch, denn schon im Trainingslager deuteten sich Risse an. Den einen oder anderen Quertreiber in der Mannschaft hätte Maurer gerne ausgesiebt, aber er hatte keine Rückendeckung von Präsident Karl Auer. Zum Rückrunden­Auftakt gab’s ein 0:0 in der Arena gegen den Tabellenletzten LR Ahlen, inklusive einer erbärmlich schwachen Leistung. Auch der von Rapid Wien als neuer Spielmacher verpflichtete Steffen Hofmann konnte nicht viel ausrichten. Einen Tag nach dem Ahlen-Spiel fand der Löwen-Ball im Paulaner am Nockherberg statt. Maurer wollte, dass seine Spieler um 24 Uhr das Fest verlassen, weil am nächsten Morgen Training angesetzt hatte. Doch viele blieben einfach mit ihren Frauen sitzen, widersetzten sich der Anweisung des Chefcoachs demonstrativ.

Und, wie es immer im Fußball-Geschäft so ist, einen Tag danach traf es das schwächste Glied der Kette: Maurer wurde entlassen. Manager Roland Kneißl, der seinen Freund darüber informieren musste, nahm das sichtlich mit, er trat von sich aus zurück („Ich will einfach nicht mehr“). Ihre Nachfolger waren schnell gefunden. Der Weltmeister von 1990, Stefan Reuter wurde neuer Manager, einen Tag später wurde der Österreicher Walter Schachner als neuer Trainer präsentiert. Davor war auch noch Präsident Auer aus gesundheitlichen Gründen Zurückgetreten.

Noch war ja nichts verloren. Die Aufstiegsplätze befanden sich noch immer in Reichweite. Aber der in Österreich so erfolgreich gewesene Schachner kam bei den Löwen überhaupt nicht zurecht. Zumal er eine Mannschaft vorfand, in der die Chemie nicht stimmte, Neid und Eifersucht herrschte. Als die Boulevardmedien dann das Gehalt von Zugang Steffen Hofmann (eine Million Euro wurde kolportiert) öffentlich machten, wurde der Ex-Spieler aus der Bayern-Jugend regelrecht geschnitten. Manche wollten sogar erkannt haben, dass dies auch auf dem Feld geschah.

Schachner, der Günther Gorenzel als Assistent und Peter „Tiger“ Zajicek als Torwarttrainer mitgebracht hatte, verlor zum Auftakt gleich einmal in Rostock mit 1:3 und auch von den folgenden sechs Spielen konnte er keins gewinnen. Für Schachner keine leichte Situation, der bisweilen hilflos wirkte. Intern fragte er immer wieder: „Was soll ich machen. Ich hab‘ ja nur die Spieler“. Und die verweigerten ihm offensichtlich die Gefolgschaft. Zudem machte der Österreicher, der mit auffälligen Designer-Klamotten an der Seitenlinie stand, nicht immer eine glückliche Figur. Nach dem 3:3 bei Eintracht Braunschweig stellte er entschuldigend fest: „Mein Braunschweiger Kollege kennt meine Mannschaft schließlich besser als ich.“

Die Löwen sackten in der Tabelle immer weiter ab. Verzweiflung machte sich bei den Fans breit, zumal auch noch die Punkte aus der Partie in Burghausen vom DFB-Sportgericht abgezogen worden waren und das Wiederholungsspiel 0:1 verloren ging. Vucicevic wurde zudem für ein halbes Jahr gesperrt. Und nach dem 0:1 am drittletzten Spieltag in Unterhaching ging es im letzten Heimspiel an 17. Mai gegen den 1. FC Saarbrücken um Alles oder Nichts.

Vier Punkte hatten die Löwen noch Vorsprung auf die Saarländer, die auf einem Abstiegsplatz rangierten. Ein Sieg musste unbedingt her, sonst drohte sogar das Abrutschen in die Regionalliga. Patrick Milchraum schoss die Löwen schließlich zum 1:0-Erolg, den 60.000 Zuschauer, die 90 Minuten lang gezittert hatten, lautstark bejubelten. Der Dreier war wichtig, denn am letzten Spieltag ging es zu Cottbus, die einen Sieg für den Aufstieg brauchten. 1:3 verloren die Löwen im Stadion der Freundschaft und hatten als Dreizehnter in der Abschlusstabelle einen Zähler mehr als Absteiger Dresden auf dem Konto.

DER VERKAUF DER ARENA-ANTEILE

Parallel zum sportlichen Niedergang geriet der TSV 1860 im Frühjahr 2006 immer mehr in eine Führungskrise. Weil es finanziell seit Jahren lichterloh brannte, was allerdings erst jetzt an die Öffentlichkeit gedrungen war. Präsident Karl Auer war am 9. März wegen Kreislaufproblemen in eine Klinik eingeliefert worden, sechs Tage später erklärte er seinen Rücktritt. Begründung: „Akute gesundheitliche Probleme.“

Am 24. März ernannte der Aufsichtsrat seinen Vorsitzenden, Alfred Lehner, zum neuen Präsidenten. Lehners Kommentar zur wirtschaftlichen Lage des Vereins: „Wir müssen alles tun, um eine Insolvenz zu vermeiden.“ Der neue Finanz-Geschäftsführer Dr. Stefan Ziffzer erklärte Mitte April, dass die Allianz Arena in der Zweiten Liga „eine Nummer zu groß“ sei. Man müsse Anteile an der Stadion GmbH abgeben. Ziffzer: „Eine andere Lösung gibt es nicht. Denn das Seil liegt schon eng um den Hals, wir würden bald keine Luft mehr bekommen. Die Schulden würden uns ersticken.“

Es war so weit: Der TSV 1860 stand vor der Insolvenz! In den Tagen danach glühten die Drähte zwischen der Säbener und der Grünwalder Straße. Nur der FC Bayern, der Stadionpartner, konnte den TSV 1860 noch am Leben erhalten. Und am Donnerstag, 27. April, wurde kurz vor 15 Uhr die Rettung bekanntgegeben. „Die Insolvenz ist vermieden“, verkündete Ziffzer auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in der Allianz Arena. Es war eine Rettung in letzter Minute. Der TSV 1860 erhielt für seine Anteile an der Allianz Arena GmbH vom FC Bayern 11,3 Millionen Euro. Mit der Überschreibung der Anteile wurde der FC Bayern alleiniger Eigentümer der Allianz Arena. Der TSV 1860 war ab sofort nur noch Mieter, erhielt aber das Recht zugesichert, die Anteile binnen vier Jahren zurückkaufen zu können.

Aber über dem Berg waren die Löwen noch lange nicht. „Das Geld reicht aus, um die Insolvenz zu vermeiden“, erklärte Ziffzer, „aber es reicht nicht aus, um in 34 Tagen die Bedingungen für die Lizenzerteilung erfüllen zu können.“ Am Ende ging’s aber doch gut. Ziffzer stellte einen rigorosen Sparplan auf und am 13. Juni kam die erlösende Meldung von der DFL: Der TSV 1860 hat die Lizenz für die Spielzeit 2006/2007 erteilt bekommen.


KURIOSES

Der „Null-Tor-Stürmer“
Stefan Reisinger war als Torjäger von Wacker Burghausen gekommen. Bei den Löwen gelang ihm in der gesamten Zweitligasaison kein einziger Treffer. Der Boulevard nannte den aus Essenbach bei Landshut stammenden Angreifer den „Null-Tore-Stürmer“ oder noch schlimmer „Tore Verhinderer“. Das hatte mit dem Heimspiel zum Ende der Vorrunde gegen Energie Cottbus zu tun. Sieben Minuten vor dem Abpfiff konnte Paul Agostino auf 2:3 verkürzen. Die Löwen warfen nochmals alles nach vorne. Der in der 54. Minute eingewechselte Reisinger, der schon zuvor beste Chancen vergeben hatte, scheiterte auch nach dem Anschlusstreffer zunächst mit einem Kopfball aus sechs Metern vollkommen freistehend. In der Nachspielzeit traf er ebenfalls nicht, als Tomislav Piplica einen Shao-Freistoß abprallen ließ. Aber das Tragigkomische passierte mit der letzten Spielaktion. Shao hatte sich halbrechts durchgespielt, brauchte aus spitzem Winkel nur noch ins leere Tor zum 3:3 einschieben. Aber was machte Reisinger? Der war in der Mitte mitgelaufen, geriet ins Straucheln, fiel genau in die Schussbahn des Chinesen und verhinderte zu allem Überfluss den hochverdienten Ausgleich. Lediglich einmal konnte der Niederbayer in einem Pflichtspiel für die Sechzger jubeln, und zwar beim Pokal-Aus am 25. Januar 2006 im Viertelfinal-Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt unter Interimstrainer Bernhard Trares. Da traf er zum 1:0. Genutzt hat’s nicht: Am Ende verloren die Löwen mit 1:3, schieden aus.

Sepp Hilz & die Amigos
Sepp Hilz hatte als Aufsichtsratsvorsitzender der Löwen am 24. April 2006 einen legendären Auftritt in der Sendung Blickpunkt Sport des Bayerischen Fernsehens. Präsident Alfred Lehner hatte abgelehnt, also wurde Hilz angefragt. Pressesprecher Robert Hettich versuchte im Vorfeld alles, einen Besuch zu verhindern. Doch Hilz wollte unbedingt ins Fernsehen. Das 1860-Lebensmitglied, das zeitlebens ein großes Herz für die Löwen zeigte und den Verein nicht nur mit seinem breitgestreuten Netzwerk, sondern auch finanziell unterstützte, ließ sich nicht davon abbringen. Moderator Gerd Rubenbauer nutzte die Unerfahrenheit und Naivität des Löwen-Funktionärs schamlos aus, führte ihn vor. Immer wieder sagte der verunsicherte Hilz, angesprochen auf eine mögliche Insolvenz des TSV 1860, mit einem grenzdebilen Lächeln: „Wir haben viele Freunde!“

Der Auftritt auf Youtube >>

Der Löwen-Ball
Der TSV 1860 hatte am 21. Januar 2006 ins Paulaner am Nockherberg rund 500 Gäste geladen. Das Ganze war als verspätete Weihnachtsfeier deklariert. Die Jazz-Legenden Max Greger, Hugo Strasser, Paul Kuhn spielten, begleitet von der Bigband des SWR, für die Besucher auf. Durch den Abend führte Michael Schanze. Dazu gab es ein Galadinner. Das ganze Event hatte einen Hauch der Feier auf der untergehenden Titanic. Am Abend zuvor verloren die Löwen beim 0:0 im Heimspiel gegen Schlusslicht LR Ahlen weiter Boden im Kampf um den Aufstieg , nun saß man feiernd zusammen, gab viel Geld aus, das man nicht hatte. Von mehreren 100.000 Euro war die Rede.

Jiayi Shao, der Beckham Chinas
Bei den Löwen kam er über die Rolle eines Mitläufers nicht hinaus, im Reich der Mitte war Jiayi Shao ein Superstar. Am 12. Oktober 2005 stand der damals 25-jährige Chinese gleich doppelt im Mittelpunkt, als es in Hamburg gegen die DFB-Auswahl ging. Bei der 0:1-Niederlage hielten sich Shao und seine Landsleute wacker. Den einzigen Treffer erzielt Torsten Frings per Elfmeter (51.). Mehrere 100 Millionen Menschen verfolgten in der Heimat die Begegnung vor dem Bildschirm und den „Beckham von China“, wie er genannt wurde. Wegen seiner gefährlichen Freistöße bekam er diesen Titel einst von den heimischen Fußball-Fans verpasst. Für seine Landsleute war es ohnehin kaum nachvollziehbar, dass ihr Liebling selbst in der Zweiten Liga nicht über ein Reservistendasein hinaus kam. Dabei gab sich Shao Mühe, war bescheiden, lernte intensiv Deutsch, wurde aber immer wieder von Verletzungen heimgesucht. Als er nach der Saison die Löwen verließ, erlebte der Chinese in Cottbus erst mal einen mittleren Kulturschock. Shao war 2002 für eine Ablöse von rund 1,3 Millionen Euro zu den Löwen gekommen. Mit ihm als Zugpferd wollte der TSV 1860 den asiatischen Markt erschließen. Das lief auch zu Zeiten der Bundesliga-Zugehörigkeit gut. Der Motorradhersteller Shineray und ein chinesischer Möbelfabrikant machten Werbung. Die Spiele wurden live in sein Heimatland übertragen, mit Millionen von Fans an den Bildschirmen. Monetär gingen die Erwartungen der Sechzger aber nicht in Erfüllung. Zusätzliche Sponsoren aus dem Reich der Mitte blieben aus. Übrigens: 2011 kehrte Shao zu seinem Heimatverein Beijing Guoan zurück, wo er seit dem Karriereende als Sportdirektor tätig ist. Und auch für den Verband arbeitet der Ex-Profi. 2018 sollte eine chinesische U20-Mannschaft gegen Bezahlung an der Runde der Regionalliga Südwest teilnehmen. Shao sollte das Nachwuchsteam mit seinen Kontakten in Deutschland unterstützen. Der Verband gab sein Okay, trotzdem scheiterte der Plan an der massiven Kritiker einiger Vereine.

Vermeintlicher Wettskandal mit Schlusspointe
Das auch noch: Unter der Überschrift „Wie tief stecken sie im Wett-Sumpf?“ machte die tz Mitte März 2006 auf. In dem Artikel war zu lesen, drei Münchner Fußball-Profis aus der Ersten und Zweiten Liga sollen in den Skandal verwickelt sein: Neben Bayern-Star Basti Schweinsteiger wurden die Löwen-Spieler Paul Agostino und Quido Lanzaat genannt. Beide Klubs dementierten sofort. Die Verfasser des Artikels waren Gerald Selch, stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Sportredaktion, sowie Max Breitner, Sohn von 1974er Weltmeister Paul Breitner. Die Empörung war groß. Die tz und ihre Redakteure bekamen Hausverbot. Die Bayern drohten sogar mit eine Millionen-Klage gegen den Verlag. „Wir werden uns auf jeden Fall rechtliche Schritte vorbehalten“, ließ auch 1860-Manager Stefan Reuter wissen. Agostino beauftragte eine Berliner Anwaltskanzlei, gegen das Blatt „Unterlassungs-, Widerrufs-, Gegendarstellungs- und Schadensersatzansprüche in mindestens sechsstelliger Höhe geltend zu machen“. Schnell bekam die tz heiße Füße, ruderte zurück, zumal Oberstaatsanwalt Anton Winkler von der Münchner Staatsanwaltschaft I sogleich sämtliche Darstellungen des Blattes vehement zurückwies. „Ich dementiere alles. Der Bericht ist falsch. Die genannten Spieler werden nicht beschuldigt. Sie sind auch nicht verhört worden und nicht zu Verhören vorgeladen worden“, wie die tz spekuliert hatte. Das Ende vom Lied: Selch und Max Breitner gaben eine „strafbewehrte Unterlassungserklärung“ ab, der Sportchef schied „im gegenseitigen Einvernehmen aus der tz-Redaktion aus und Breitner junior wurde später Mitarbeiter der Pressestelle des FC Bayern. 

Stefan Reisingers Gespür für Schnee
Der Winter 2005/2006 war relativ kalt und schneereich und erreichte im März seinen Höhepunkt: Für Samstag, 4. März, waren starke Schneefälle in München angesagt. Etwa 30 Stunden am Stück sollte die weiße Pracht sich vom Himmel ergießen, Schneehöhen von über einem halben Meter wurden in erreicht. Die Löwen waren zu dieser Zeit schon in Braunschweig, wo sie am Sonntagmittag gegen die Eintracht beim 3:3 einen Punkt erkämpften. Stefan Reisinger wettertechnisch bestens informiert, parkte wegen der vorherzusehenden Schneemassen sein Auto nicht auf dem Spieler- und Angestellten-Parkplatz vor der Geschäftsstelle, sondern auf dem Seitenstreifen an der Grünwalder Straße, um nach der Rückkehr möglichst zügig losfahren zu können. Nach dem Rückflug hatte er sich im Bus vom Flughafen ans Trainingsgelände schon gefreut, teilte den Mannschaftskollegen stolz mit, wie gut er sich vorbereitet habe. Doch als der Bus in die Grünwalder Straße einbog, brandete schallendes Gelächter auf. Die Räumfahrzeuge hatten während des Schneefalls permanent die Straße freigeschoben. Neben den geparkten PKWs auf dem Seitenstreifen türmte sich eine fast mannshohe Mauer zur Fahrbahn hin auf. Alle wollten von ihrem Mitspieler wissen, wo er denn sein Fahrzeug geparkt habe. Aber im Schnee war nichts zu erkennen. Jedenfalls konnten die anderen Spieler problemlos das Trainingsgelände verlassen. Helmut Rost, der damals für die 1860-Plätze und das -Gelände zuständig war, hatte den ganzen Tag den Parkplatz von den Schneemassen befreit und die Zu- und Abfahrtswege freigeschaufelt. Letztlich erbarmte sich ein Kollege Stefan Reisingers, fuhr ihn an diesem Abend nachhause…

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