Zu Beginn der Saison 2007/2008 sah es danach aus, dass die Löwen nach vier Jahren in der Zweiten Liga mit den Rückkehrern Daniel Bierofka und Markus Schroth den Aufstieg in die Bundesliga schaffen könnten. Doch spätestens nach dem in der letzten Minute der Verlängerung unglücklich verlorenen Derby gegen Bayern im Pokal-Viertelfinale war die Luft raus. Als schlechteste Rückrunden-Mannschaft landete das junge 1860-Team am Ende auf Platz elf. Abseits des Platzes gab’s wie immer reichlich Spektakel.
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Vor der Saison gab es einige personelle Veränderungen. Nemanja Vucicevic, Roman Tyce, Nicky Adler, Paul Agostino, Patrick Milchraum, Philipp Pentke, Marcel Schäfer und Daniel Baier hatten den Klub verlassen, Rekordlöwe Harald Cerny beendete seine Karriere. Dafür kehrten zwei Hoffnungsträger zurück: Daniel Bierofka und Markus Schroth. Beide kehrten mit Titeln im Gepäck zu den Löwen zurück. Bierofka war gerade mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister geworden, Schroth hatte mit dem 1. FC Nürnberg den Pokal gewonnen. Dazu kam mit Mustafa Kucukovic vom Hamburger SV noch ein hoffnungsvolles Talent.
Ansonsten setzten die Löwen weiterhin auf ihre gute Nachwuchsarbeit. Der 18-jährige Mittelfeldspieler Timo Gebhart und der gleichaltrige Stürmer Manuel Schäffler bekamen ebenso einen Profivertrag, wie der 20-jährige Linksverteidiger Benjamin Schwarz. Aus Burghausen kehrte der ausgeliehene Nikolas Ledgerwood zurück.
Und auch ein neuer Hauptsponsor wurde vorgestellt, nachdem der Wettanbieter bwin.de wegen der ganzen Querelen sich nach einem Jahr wieder zurückgezogen hatte. Trenkwalder, einer der führenden Personaldienstleister Deutschlands, rückte auf, nachdem das österreichische Unternehmen bereits in der vorangegangenen Saison sich als „Presenter“ bei den Löwen engagiert hatte.
Mehr als 300.000-Euro sammelten in diesem Sommer die Löwen mit der Aktion „Ein starker Kader ... mit Eurer Hilfe!“. Neben vielen Einzelspendern hatten auch einige Unternehmen zu der Summe beigetragen. Löwen-Geschäftsführer Dr. Stefan Ziffzer zeigte sich „froh und dankbar“, insbesondere dafür, „dass bisher viele Einzelspender mit großem Engagement die Aktion begleitet haben. Dies hat uns erst ermutigt, Verstärkungen für den Kader ins Auge zu fassen, die wir uns ohne die Aktion nicht hätten leisten können.“
Zur Vorbereitung ging’s nach Pörtschach am Wörthersee. Dort ereilte die Sechzger die erste Hiobsbotschaft. Markus Schroth musste wegen einer Sehnenentzündung im rechten Bein vorzeitig nach Hause. Es sollte der Beginn einer langen Leidenszeit für den Stürmer sein. Sechs Wochen später kam er in der Gräfelfinger Wolfart Klinik bei Mannschaftsarzt Dr. Erich Rembeck unters Messer wegen der anhaltenden Beschwerden an der Sehne des rechten Knies. Er sollte in der gesamten Saison keine einzige Minute für den TSV 1860 auf dem Platz stehen!
Derweil konnte Geschäftsführer Dr. Stefan Ziffzer auf der ersten Bilanzpressekonferenz der Sechzger Positives vermelden. „Wir glauben, dass wir das Möglichste erreicht haben“, sagte er mit Blick auf den Überschuss von 65.000 Euro in der Saison 2006/2007. Im Herbst des Vorjahres habe man noch mit einem Minus von knapp 3 Millionen Euro gerechnet.
Auch der Saisonauftakt für die Löwen verlief sensationell. Dem 3:0-Erfolg in der 1. Runde des DFB-Pokals beim Regionalligisten SC Verl folgten in den ersten vier Punktspielen drei Siege und ein Unentschieden. Damit stand das Team von Trainer Marco Kurz die gesamte Zeit an der Tabellenspitze der Zweiten Liga. Besonderer Balsam auf die Löwen-Seele war der 6:2-Auftaktsieg gegen den FC Augsburg im Rosenaustadion. Damit nahm der TSV 1860 eindrucksvoll Revanche für die beiden 0:3-Schlappen aus der Vorsaison. Antonio Di Salvo traf - wie schon im Pokal eine Woche zuvor - drei Mal. Die weiteren Treffer erzielten Berkant Göktan, der überragende Daniel Bierofka und Lars Bender mit seinem ersten Profitor.
Es folgte ein 3:1-Heimsige gegen den 1. FC Kaiserslautern und ein 3:0 beim ambitionierten Aufsteiger 1899 Hoffenheim. Am 4. Spieltag verloren die Sechzger beim 1:1 gegen den 1. FC Köln nicht nur die ersten beiden Punkte, sondern auch Torhüter Philipp Tschauner. Der Franke zog sich eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes im linken Knie zu. Michi Hofmann musste also wieder ran.
Es folgte ein 0:0 bei Alemannia Aachen und ein 2:1-Zittersieg in der Allianz Arena gegen St. Pauli. Im 7. Saisonspiel war’s dann passiert: Bei Bundesliga-Absteiger Mainz 05 gab’s die erste Niederlage und die fiel mit 0:3 recht deutlich aus. Den nächsten Dämpfer setzte es drei Tage später. Nach zweimaliger Führung zu Hause gegen die TuS Koblenz und numerischer Überlegenheit ab der 22. Minute reichte es am Ende nur zu einem 2:2.
Die Berg- und Talfahrt hielt an. Dem 2:0-Erfolg bei Carl Zeiss Jena, womit der TSV 1860 für zwei Tage wieder die Tabellenspitze zurückeroberte, folgte die erste Saison-Heimniederlage im bayerischen Derby gegen die SpVgg Greuther Fürth vor 60.000 Zuschauern mit 0:3. Anschließend ließen die Löwen ein 3:0 gegen die Offenbacher Kickers folgen und revanchierten sich in der 2. Runde des DFB- mit einem 2:1-Sieg über Mainz 05 für die Niederlage in der Liga.
Es folgte eine Remis-Serie von vier Spielen. Dabei war Trainer Kurz aufgrund von Verletzungen immer wieder zu Experimenten gezwungen. In einem von beiden Seiten intensiv geführten Spiel erkämpfte sich die Löwen-Notelf in Wiesbaden einen Punkt (0:0). Im Spitzenspiel des 13. Spieltages trennten sich der TSV 1860 und Borussia Mönchengladbach ebenfalls torlos. Dabei war das Unentschieden für den Tabellenführer vom Niederrhein äußerst schmeichelhaft. Gerade nach der Pause konnten die Löwen beste Konterchancen nicht verwerten. Erneut fehlten viele Stammkräfte. So stand beim Abpfiff eine Löwen-Verteidigung mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren auf dem Platz (Lars Bender, 18, Fabian Johnson und Julian Baumgartlinger, beide 19, und Mate Ghvinianidze, 20).
Dann musste sich vor der Partie bei Aufstiegsfavorit SC Freiburg auch noch Torjäger Berkant Göktan einer Bandscheiben-OP unterziehen. Trotzdem reichte es im Breisgau für ein 2:2: Die Löwen beendeten damit eine Serie der Gastgeber von sieben Siegen in Folge. Weniger befriedigend war das 0:0 zu Hause gegen Abstiegskandidat SC Paderborn. Anschließend setzte es bei Aufsteiger VfL Osnabrück eine deftige 0:3-Niederlage. Noch schlimmer war, dass nach Göktan und Schroth der nächste Torjäger ausfiel. Antonio Di Salvo war bis dahin mit sieben Treffern der beste Löwen-Knipser. Der Deutsch-Italiener hatte sich einen Syndesmoseband-Riss mit zusätzlicher Knochenabsprengung im rechten Außenknöchel zugezogen.
Wenigstens gelang dem TSV 1860 ein versöhnlicher Jahresabschluss mit einer Tor-Gala beim 5:0 über Erzgebirge Aue. Mit zwei Punkten Rückstand auf einen Aufstiegsplatz verabschiedeten sich die Löwen als Sechster in die Winterpause. Am Abend folgte dann bei bester Stimmung die Weihnachtsfeier des Vereins in der Villa Flora, bei der Geschäftsführer Ziffzer den blauen Nikolaus gab. Zudem hatte man mit Chhunly Pagenburg vom 1. FC Nürnberg ein weiteres Talent für die Rückserie verpflichtet. „Wir waren schon lange an ihm dran“, verriet Manager Stefan Reuter.
Die Vorbereitung auf die Rückrunde ließ sich gut an. Zum dritten Mal bereitete sich das Team im Wintertrainingslager auf der spanischen Ferieninsel Teneriffa in der Villa Cortes an der Playa de las Americas vor. Im letzten testspiel vorm Saisonstart kam es am 26. Januar zum 203. Münchner Stadtderby in der Allianz Arena. Nach drei Niederlagen gegen die Löwen in ihrem „Fröttmaninger Fußball-Tempel“ sannen die Bayern auf Revanche. Bis zur 75. Minute sah es nach einem Eigentor durch Torben Hoffmann (53.) auch danach aus, ehe Amateur-Spieler Manuel Duhnke gegen Oliver Kahn per Kopf das 1:1 erzielte. Es klappt also auch im vierten Spiel in der Allianz Arena nicht mit dem ersten Sieg der Bayern gegen die Löwen, obwohl FCB-Präsident Uli Hoeneß diesen zuvor vollmundig auf der Jahreshauptversammlung angekündigt hatte. Ottmar Hitzfeld entschuldigte sich sogar für die erneute Schmach. „Es tut mir leid für die Fans. Ich weiß, wie gerne sie einen Sieg gesehen hätten.“
Drei Tage später folgte der nächste Höhepunkt im Achtelfinalspiel des DFB-Pokals bei Alemannia Aachen. Bis in die 83. Minute sahen die Gastgeber wie der sichere Sieger aus, führten mit 2:0 am Tivoli. Doch dann drehten die Sechzger innerhalb von weniger als sechs Minuten die Partie komplett. Danny Schwarz gelang der Anschlusstreffer (83.), Mustafa Kucukovic traf zwei Minuten später zum Ausgleich, ehe Fabian Johnson in der 89. Minute den Einzug für die Löwen in die nächste Runde perfekt machte. Ein Sieg, der Folgen haben sollte, denn der TSV 1860 bekam im Viertelfinale den FC Bayern zugelost.
In der Liga erlebten die Löwen dagegen einen klassischen Fehlstart ins Jahr 2008. Im Derby nahm der FC Augsburg für die 2:6-Klatsche zum Saisonauftakt Revanche, gewann vor 57.400 Zuschauern in der Allianz Arena mit 3:0. Zunächst hatte man gedacht, das sei nur ein Ausrutscher gewesen, denn im Auswärtsspiel am Betzenberg folgte ein 2:1-Sieg, bei dem Michi Hofmann, der gegenüber dem wiedergenesenen Tschauner weiter den Vorzug erhielt, einen Elfmeter von Fabian Schönheim parierte.
Doch im Spitzenspiel zu Hause gegen 1899 Hoffenheim mit Trainer Ralf Rangnick setzte es eine 0:1-Niederlage, die ausgerechnet vom Ex-Hachinger Francisco Copado besiegelt wurde. Gregg Berhalter sah Gelb-Rot, Markus Thorandt seine 5. Gelbe Karte. Beide fehlten beim nächsten Auswärtsspiel in Köln. Dort musste Trainer Kurz gleich fünf Umstellungen in der Startformation vornehmen, in der ausschließlich deutsche Spieler und am Ende sogar vier A-Junioren auf dem Platz standen. Manuel Schäffler feierte sein Profidebüt. Nach dem Platzverweis von Kevin McKenna hatten die Sechzger über 50 Minuten einen Mann mehr auf dem Platz, konnten das aber nicht ausnutzen. Die Partie endete torlos.
Danach stand das Highlight der Saison, das Pokalderby gegen die Bayern in der ausverkauften Allianz Arena auf dem Programm. Die Löwen wuchsen über sich hinaus, retteten sich in die Verlängerung und hielten ihren Kasten bis zur 119. Minute gegen Franck Ribéry & Co. sauber. Dann jedoch waren sie gegen den Bayern-Dusel machtlos. Die Roten profitierten von einer Fehlentscheidung von Schiedsrichter Peter Gagelmann. Chhunly Pagenburg hatte Miroslav Klose in der 120. Minute klar vor dem 16-Meter-Linie gefoult, der Unparteiische legte den Tatort zum Schrecken der 1860-Spieler und -Fans in den Strafraum, Ribéry verwandelte im zweiten Anlauf sicher gegen Tschauner im 1860-Tor. Der war in der 35. Minute für den verletzten Hofmann eingewechselt worden. Die junge Löwen-Mannschaft wurde anschließend als moralischer Sieger gefeiert, über zehn Millionen Zuschauer hatten das Pokal-Viertelfinale live am Bildschirm verfolgt. Der kicker titelte: „Bayern zittert sich ins Halbfinale!“ und gab Schiri Gagelmann eine glatte Fünf als Note.
Das Aus im Pokal war, vor allem wegen der Umstände, für das junge 1860-Team nur schwer zu verdauen. In der Liga folgten drei Unentschieden, zu Hause gegen Aachen (0:0), auf St. Pauli (0:0) und gegen Mainz (1:1). Wenigstens gelang nach fünf Pflichtspielen ohne Treffer gegen die Rheinländer mal wieder ein Tor. Es sollten vier Niederlagen am Stück folgen, womit der Aufstiegszug endgültig ohne den TSV 1860 abgefahren war. In Koblenz (1:3), zu Hause gegen Jena (1:2), in Fürth (1:3) und in Offenbach (0:2). Noch betrug der Vorsprung auf einen Abstiegsplatz neun Punkte.
Selbst ein Kurztrainingslager in Miesbach hatte die Talfahrt nicht stoppen können. Die vermeintliche Wende gelang im Heimspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden. Nach neun sieglosen Partien bezwang der TSV 1860 die Hessen mit 2:1. Gleichzeitig war es der erste Heimsieg 2008.
Am 25. April verzichtete der TSV 1860 vorzeitig auf das ursprünglich bis zum 30. Juni 2010 vereinbarte Rückkaufsrecht an einem 50-prozentigen Anteil an der Allianz Arena München Stadion GmbH. Die Löwen verkündeten, dass sie damit von verschiedenen Verpflichtungen entlastet seien, die nunmehr die FC Bayern München AG als alleinige Gesellschafterin der Allianz Arena zu tragen habe. Aber wie im Stadionüberlassungsvertrag vereinbart, sollten die Löwen weiter Mieter bis 30. Juni 2025 bleiben.
Nach dem Sieg über Wehen Wiesbaden folgte im Auswärtsspiel bei Spitzenreiter Borussia Mönchengladbach ein achtbares 2:2. Zwei Tage später erhielt das Nachwuchsleistungszentrum der Sechzger bei der „Zertifizierung aller bundesdeutschen Leistungszentren" mit drei von drei möglichen Sternen die höchste Beurteilung. Diese Wertung gab es nur für neun von 39 Klubs.
Das Zwischenhoch in der Liga war aber nur von kurzer Dauer: Im Heimspiel gegen Freiburg setzte es ein 0:3. Bereits vier Tage später verlor man auch beim Tabellenletzten SC Paderborn (1:3). Durch diese erneute Niederlage trennten die Sechzger zwei Spieltage vor Saisonende nur noch vier Punkte von einem Abstiegsplatz. Ein Sieg im letzten Heimspiel gegen den VfL Osnabrück musste her, um sicher gerettet zu sein. Es wurde zwar nur ein 1:1, doch auch der eine Punkt reichte zum vorzeitigen Klassenerhalt. Anstatt Jubelstimmung herrschte lediglich Erleichterung.
Im Anschluss daran gab’s eine legendäre Pressekonferenz. Erst lederte Osnabrücks Trainer Claus-Dieter „Pelé“ Wollitz gegen die DFL und den DFB ab, was mit Sicherheit bundesweite Aufmerksamkeit generiert hätte. Aber das ging am Ende völlig unter, weil anschließend 1860-Geschäftsführer Dr. Stefan Ziffzer, der eigentlich nach dem letzten Saisonheimspiel Sponsoren und Fans für ihre Treue danken wollte, das Auditorium zu einer Generalabrechnung mit dem Präsidenten Dr. Albrecht von Linde nutzte. Es sollte nicht nur seinen Kopf kosten.
Gespielt wurde auch noch einmal. Die Löwen bestritten ihr letztes Saisonspiel beim als Absteiger feststehenden FC Erzgebirge Aue. Mit dem 1:1 beendeten sie die Saison mit 41 Punkten auf Rang elf, hatten mit 13 Punkten aus der zweiten Halbserie die schlechteste Rückrunde aller Klubs gespielt. „Wir werden versuchen, die Mannschaft auf zwei, drei Positionen gezielt zu verstärken, um mehr Zug und Konkurrenzkampf in die Truppe zu bringen. Davon erhoffen wir uns dann eine deutliche Steigerung in der kommenden Saison“, wagte Geschäftsführer Reuter einen Ausblick auf die nächste Spielzeit.
KURIOSES
Der Stadionsprecher und die falsche Botschaft
Wie immer ging’s beim schwäbisch-oberbayerischen Derby, dass die Löwen im Rosenaustadion mit 6:2 gewannen, zum Saisonauftakt hoch her. Die Löwen-Führung nach 15 Minuten durch Berkant Göktan entsprang einer strittigen Szene. Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer gab das Tor, die Augsburger wollten den Ball auf der Linie gesehen haben. In der Halbzeitpause machte dann FCA-Stadionsprecher Rolf Störmann eine viel diskutierte Durchsage. „Eine Information an die Zuschauer. Das 0:1 war eindeutig kein Tor. Das hat das Fernsehen bewiesen“, sagte er. Es folgten heftige Diskussionen zwischen den Verantwortlichen beider Vereine und dem Schiedsrichtergespann. Anfang der 2. Halbzeit ruderte Störmann aus Angst vor Ausschreitungen zurück: „Der FCA entschuldigt sich für die Durchsage. Wir bitten alle Fans weiter um Fairness.“ Entsprechend sauer reagierte Schiedsrichter-Beobachter Manfred Amerell: „So etwas habe ich in meiner Karriere noch nie erlebt.“ Dabei hatte der Stadionsprecher gar nicht eigenmächtig gehandelt. Kurz vor der Pause war der Assistent von Manager Andreas Rettig, Felix Jäckle, zu ihm in die Sprecherkabine gekommen und gab ihm einen Text, der er verlesen sollte. „Normalerweise würde ich so etwas nie durchsagen. Aber nach dem mir zwei Mal gesagt wurde, ich soll es so durchsagen, habe ich es getan.“ FCA-Manager Andreas Rettig bestätigte den Sachverhalt, nahm den Stadionsprecher aber in Schutz. „Schiedsrichter machen Fehler. Wir machen Fehler. Herr Störmann hat keine Schuld.“ Es sei ein Missverständnis zwischen ihm und Jäckle gewesen, wiegelte er scheinheilig ab. „Da wurde eine falsche Botschaft transportiert. Mehr will ich dazu nicht sagen. Ich zeige mich verantwortlich.“ Der verbale Ausrutscher kostet den FC Augsburg übrigens 3.000 Euro. Zu dieser Geldstrafe wurden die Fuggerstädter vom DFB „wegen unsportlichen Verhaltens auf Grund einer unerlaubten Stadiondurchsage“ verurteilt.
Autismus-Vorwurf, Rücktritt und ein vermeintlicher Nachfolger
Für das Präsidium Dr. Albrecht von Linde, Karsten Wettberg und Otto Steiner kam in dieser Besetzung das Aus bereits nach zweieinhalb Monaten. Der designierte Präsident Steiner, der nach eineinhalb Jahren mit von Linde das Amt hätte tauschen sollen, erklärte am 11. Juli 2007 in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in den Räumen seines Arbeitgebers Constantin Entertainment GmbH seinen Rücktritt als Vizepräsident. Gleichzeitig legte der 44-Jährige auch sein Mandat als Aufsichtsratsvorsitzender nieder. Als ausschlaggebende Gründe für seinen Schritt nannte Steiner erhebliche Differenzen innerhalb des Präsidiums, beschimpfte von Linde sogar als „autistischen Alleingänger“. Dieser erwog deswegen sogar Klage. Bereits einen Tag später präsentierte das verbliebene Präsidium mit Unternehmer Hans Hee einen Nachfolge-Kandidaten. Es war eine der skurrilsten Pressekonferenzen in der Geschichte der Löwen. „Als der Ruf kam, musste ich nicht lange überlegen. Ich hab‘ schließlich ein blaues Herz“, verkündete der 61-Jährige Unternehmer selbstbewusst und fühlte sich schon trotz fehlender Bestellung durch den Aufsichtsrat als Vizepräsident des Traditionsvereins. Bei der Frage, mit was er sein Geld verdiene, druckste er herum. Er sei in der Stahlbrache tätig, erklärte er nach mehrmaliger Nachfrage. Genaueres wollte er dazu nicht sagen. Bei den Journalisten stieß Hee auf wenig Sympathie. Auch nicht beim Aufsichtsrat, zumal er erst zehn Monate im Verein Mitglied war, obwohl mindestens zwölf vonnöten für ein Amt gewesen wären. ,,Ich habe kein Verständnis für solche Diskussionen“, klagte er, ,,für eine solche Lachnummer stehe ich nicht zur Verfügung. Da gehe ich lieber Golf spielen und mit meiner Frau wandern.“ Unverständlich, denn die zu kurze Zeit im Verein hatte Hee bereits im Oktober zuvor eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gekostet. Anschließend bestellte der Aufsichtsrat Franz Maget zum Vizepräsidenten. Bei der 39. Ordentliche am 17. November 2007 im Paulaner am Nockherberg wurde das Präsidium offiziell im Amt bestätigt.
Ziffzers berühmte Fisch-Rede
Lange sollte das Präsidium auch in der neuerlichen Zusammensetzung nicht wirken. Auslöser für das Ende war die „Wutrede“ von Geschäftsführer Dr. Stefan Ziffzer nach dem letzten Heimspiel der Saison 2007/2008. In seiner Generalabrechnung warf er dem Präsidenten vor, die Arbeit der Geschäftsführung immer wieder behindert zu haben. „Der Fisch stinkt vom Kopf her, und bei uns ist der Kopf der Präsident. Dieser Präsident ist eine Schande“, so Ziffzers markige Worte. Der Konter des Präsidenten ließ nicht lange auf sich warten. Noch im Business Club der Allianz Arena sprach er die fristlose Kündigung aus. Doch Ziffzer lachte nur, machte ihm klar, dass das rechtlich keinen Bestand habe, weil diese schriftlich und mit einer Präsidiums-Mehrheit erfolgen müsse. Die Kündigung wurde dann in der entsprechenden Form am kommenden Morgen in aller Früh Ziffzer schriftlich ausgehändigt. Der Ex-Geschäftsführer genoss anschließend seinen letzten Auftritt, räumte die Sachen einzeln aus seinem Büro, begleitet von Kameras und Fans, in sein Auto und brauste anschließend davon. Stefan Reuter setzte das Präsidium als alleinigen Geschäftsführer ein, Dr. Markus Kern kommissarisch als Prokurist für den kaufmännischen Bereich. Einen Tag nach Ziffzers Entlassung reagierte Hauptsponsor Trenkwalder mit einem Offenen Brief, verlangte eine Stellungnahme des Präsidiums und drohte: „Sollten die Informationen nicht in entsprechender Form und Umfang erfolgen, so sehen wir keine Basis für eine langfristige Zusammenarbeit miteinander und werden eine vorzeitige Auflösung des Hauptsponsorvertrags in Erwägung ziehen.“ Selbst Vize-Präsident Karsten Wettberg beschlichen Zweifel, ob es in dieser Konstellation weitergehen könne. In einem BR-Interview drei Tage nach Ziffzers Entlassung forderte er indirekt von Lindes Rücktritt: „In der heutigen Notlage wäre es besser, einen Präsidenten zu finden, der nicht polarisiert, sondern die Fanlager sofort wieder eint. Das ist Herrn von Linde nicht gelungen, das muss man eindeutig sagen“, so der frühere Trainer. Am selben Tag kündigte von Linde an, „ich werde im September als Präsident von 1860 zurücktreten“. Doch der Druck war zu groß. Am 26. Mai 2008 warf er endgültig das Handtuch. Der Aufsichtsrat bestellte am gleichen Tag Rainer Beeck zum neuen Präsidenten und als Vize-Präsidenten Dr. Michael Hasenstab sowie weiterhin Franz Maget. Der bisherige Vize Wettberg wurde Mitglied im Aufsichtsrat.
Grünwalder Stadion bleibt erhalten
Gute Nachricht: Das Städtische Stadion an der Grünwalder Straße soll über 2010 hinaus erhalten bleiben. Das wurde am 11. Dezember 2007 bekannt. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, der auch dem Aufsichtsrat des TSV 1860 zu diesem Zeitpunkt angehörte, und Bürgermeisterin Christine Strobl empfahlen dem Stadtrat, den für 2010 bereits beschlossenen Abriss zu widerrufen. Stattdessen soll das geschichtsreiche „Grünwalder“ zum Teil renoviert werden. „Wir haben in aller Stille verhandelt - mit Erfolg“, sagte Löwen-Vizepräsident Franz Maget. „Emotional ist der Beschluss von großer Bedeutung für den TSV 1860 München. Ich kann sogar sagen: das ist ein schönes Weihnachtsgeschenk für die Löwen!“ Die Stadtverordnetenversammlung musste der Empfehlung von Ude und Strobl noch zustimmen, was allerdings nur noch eine Formsache war.