Zwei Gesichter offenbarten die Löwen in der Spielzeit 1996/1997. Nach der Vorrunde standen sie nur drei Punkte vor einem Abstiegsplatz, die Rückrunde schlossen sie als drittbestes Team ab, obwohl die beiden letzten Spiele verloren gingen. In der Endabrechnung belegte der TSV 1860 Rang sieben, der nicht zur direkten Teilnahme am UEFA-Cup gereicht hätte. Aber da Borussia Dortmund die Champions League gewann und der viertplatzierte VfB Stuttgart gegen Zweitligist Energie Cottbus den DFB-Pokal, qualifizierten sich die Löwen trotzdem für den internationalen Wettbewerb – erstmals nach 28 Jahren.
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Das Team wurde für die dritte Bundesliga-Saison nach dem Wiederaufstieg punktuell verstärkt. Aus Dresden kam Ronny Ernst, aus Basel der Schweizer Nationalspieler Marco Walker (FC Basel), aus Frankfurt Jörg Böhme. Dazu kamen einige Perspektivspieler wie Rayk Schröder von Union Berlin, Torhüter Michael Hofmann aus Bayreuth oder Matthew Okoh aus Reutlingen. Dazu wurde Kult-Stürmer Peter Pacult neuer Co-Trainer von Werner Lorant.
Die Löwen bereiteten sich im UI-Cup gegen internationale Gegner auf die Saison vor. Und diese schien sich gelohnt zu haben. Gleich das erste Saisonspiel gegen den Hamburger SV wurde mit 2:1 im Olympiastadion gewonnen. Doch in den nächsten vier Spielen setzte es drei Niederlagen. Nur bei der torlosen Heimpartie gegen Fortuna Düsseldorf sprang ein Pünktchen heraus. Grund für die schwache Leistung war auch, dass Jens Jeremies verletzungsbedingt während der Vorbereitung ausgefallen war, Miki Stevic aufgrund einer Knieoperation ganz fehlte und bei Olaf Bodden das Pfeiffersche Drüsenfieber diagnostiziert worden war.
Vor Spiel Nummer sechs dann die Sensation. Die Löwen vermeldeten den Zugang von Weltklasse-Spieler Abedi Pelé vom AC Turin. Mit dem Ghanaer fegten die Sechzger den SC Freiburg mit 4:0 vom Platz. Im darauffolgenden Spiel in Rostock gab’s dann auch beim 4:2 gleich den ersten Auswärtsdreier. Doch so richtig kam der Löwen-Motor nicht ins Laufen. Es folgte eine 2:5-Heimniderlage gegen den VfB Stuttgart. Vor dem nächsten Spiel in Mönchengladbach verpflichteten die Sechzger Manfred Bender vom Karlsruher SC. Doch auch am Bökelberg gab’s beim 0:1 nichts zu holen. Dem 4:2 gegen St. Pauli folgten drei Remis in Serie, darunter ein 1:1 im Heimderby gegen den FC Bayern. Nach einem 1:3 zu Hause gegen Bielefeld und einem 1:4 auf Schalke standen die Löwen nur einen Punkt vor einem Abstiegsplatz.
Zum Ende der Vorrunde gab es zwei Unentschieden, jeweils mit 1:1 im Olympiastadion gegen Karlsruhe und bei Werder Bremen. Gerade das Heimspiel gegen den KSC war exemplarisch. Eigentlich hätte 1860 mit ungefähr 7:1 gewinnen müssen. Selbst Gäste-Keeper Claus Reitmeier gab hinterher zu: „Ich habe noch nie so viel Glück gehabt in einem Spiel wie heute.“
Zur Winterpause lagen die Sechzger nur drei Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt. Trainer Lorant war trotzdem nie bange. „Die Mannschaft hat auch in der Vorrunde schon hervorragend gespielt, nur waren wir vom Pech verfolgt, hatten keinen guten Stand bei den Schiedsrichtern und wir waren zu dumm, unsere Torchancen zu verwerten“, so sein Fazit. Allein 19 Mal trafen die Löwen Pfosten- oder Latte. So viele hatte keine andere Bundesliga-Mannschaft. Außerdem verhängten die Schiedsrichter elf Elfmeter gegen den TSV 1860, über fast jeden ließ sich streiten. Andererseits wurden den Sechzgern etliche Strafstöße verweigert, über deren Berechtigung es keinen Zweifel gab, z.B. an Bodden im Heimspiel am 12. Spieltag beim 1:1 gegen Duisburg.
In der Rückrunde zeigten die Löwen richtig tolle Spiele. Es begann schon zum Auftakt beim Hamburger SV, als man dank zweier Tore von Edel-Joker Daniel Borimirov und eines Elfers von Bernhard Winkler mit 3:2 gewann. Es folgte ein 2:1 gegen Köln (toller Freistoß von Bernhard Trares zum 1:0. Anschließend ging’s nach Dortmund. Wie im Hinspiel schon pfiff auch diesmal wieder der „Lieblings-Schiedsrichter“ der Löwen, Hartmut Strampe. In München hatte er mit einem lächerlichen Elfmetergeschenk den BVB von der Verliererstraße runtergeholt, und auch diesmal hielt’s Herr Strampe mit Schwarz-Gelb. Beim Stand von 1:2 versagte er den Sechzgern kurz vor der Pause einen Elfer, im Gegenzug jedoch, als Andy Möller im Löwen-Strafraum abhob, deutete er sofort auf den Punkt. Lorant war fuchsteufelswild, schimpfte Strampe auf dem Weg zur Halbzeitpause einen „Feigling“. Daraufhin verbannte der Schiedsrichter den 1860-Coach für die 2. Halbzeit auf die Tribüne. Später wurde Lorant noch für ein weiteres Spiel gesperrt. 1:4 verloren die Löwen schließlich im Westfalenstadion, aber diese Niederlage warf sie nicht aus der Bahn.
Fortuna Düsseldorf wurde klar mit 3:0 nach Hause geschickt (Manni Bender erzielte sein erstes Bundesliga-Tor für 1860, Harald Cerny seinen ersten Saison-Treffer) und vier Tage später kreuzte Bayer Leverkusen im Olympiastadion auf. Die Truppe von Christoph Daum hatte kurz zuvor die Bayern mit 5:2 blamiert und dachte wohl, das ginge gegen jeden Münchner Verein so einfach. Von wegen. Diesmal waren die Leverkusener diejenigen, die an die Wand gespielt wurden. Cerny und zweimal Winkler schossen die Tore zu einem grandiosen 3:0-Sieg, und Daum hatte diese Pleite derart die Petersilie verhagelt, dass er beleidigt die Pressekonferenz vorzeitig verließ, weil er mit der Meinung von Werner Lorant („unsere Tore waren wunderbar herausgespielt“) nicht konform ging.
Beim nächsten Spiel in Freiburg schenkten die Sechzger zwei Punkte her. Zur Halbzeit hatten sie schon 2:0 geführt und das Spiel klar beherrscht, aber dann ließen sie sich noch die Butter vom Brot nehmen und durften nur mit einem 2:2 nach Hause fahren. Der zweifache Torschütze Winkler wollte sich auch nicht mehr so recht darüber freuen, dass er mit 16 Treffern nun neben Fredi Bobic bester Goalgetter der Bundesliga war.
Auch beim 2:0 im Heimspiel gegen Rostock traf Winkler, damals konnte noch keiner ahnen, dass es sein letztes Tor in dieser Saison gewesen sein sollte. Schließlich schrieb man erst den 24. Spieltag. Erfreulich: Der Rückstand auf Platz fünf, einem UEFA-Cup-Rang, betrug inzwischen nur noch drei Punkte.
Und die Sechzger blieben dran. Ein wieder mal umstrittener Elfmeter brachte sie beim 1:1 in Stuttgart um den Sieg, aber im Heimspiel gegen Gladbach wurde wieder für klare Verhältnisse gesorgt. Mit dem 3:0 waren die Borussen sogar noch gut bedient. Dass mit Pelé und Nowak zwei Spielmacher fehlten, fiel überhaupt nicht ins Gewicht.
Nach dem 0:0 beim FC St. Pauli stand im Olympia-Stadion am 28. Spieltag der große Knüller an: 1860 gegen Bochum, Fünfter gegen Sechster. Der VfL lag nur einen Zähler voraus – ein sogenanntes Sechs-Punkte-Spiel um den UEFA-Cup-Platz. 53.000 Zuschauer hatten sich im Olympiastadion eingefunden, große Erwartungen in den TSV 1860 gesetzt, wurden dann aber bitter enttäuscht. Erst gingen die Bochumer in der 20. Minute durch Georgi Donkov 1:0 in Führung, dann flog Marco Walker wegen eines dummen Handspiels vom Platz (38.), später folgte ihm Jens Jeremies nach einem Foul an Darius Wosz (75.) und mit neun Mann konnten die Sechziger den Spieß nicht mehr umdrehen, verloren dieses so wichtige Spiel. Es handelte sich übrigens auch um jene Partie, in der Lorant seine Strafe wegen der Beschimpfung von Schiedsrichter Strampe auf der Tribüne hatte absitzen müssen. Der Löwen-Coach hinterher lapidar: „Man hat wieder gesehen, dass es ohne mich halt nicht geht!“
In Duisburg ging’s wieder besser. Nowak, Heldt und Trares trafen beim 3:2-Sieg. Mit dem gleichen Ergebnis hätten die Sechzger eine Woche später um ein Haar gegen die Bayern gewonnen, aber schließlich wurde es doch nichts mit dem ersten Derby-Sieg seit fast 20 Jahren.
Dann folgte der große Auftritt von Olaf Bodden in Bielefeld, wo er alle drei Treffer zum 3:2-Sieg beisteuerte und die Chancen auf einen UEFA-Cup-Platz aufrecht hielt. Diese wurden am 32. Spieltag noch größer, nachdem Bochum 2:6 in Gladbach verloren und die Löwen 2:1 gegen Schalke gewonnen hatten. Am Ende kam man aber doch nicht am VfL vorbei, musste sogar noch den KSC vorbeiziehen lassen. Am vorletzten Spieltag verlor man im 0:3 im Wildparkstadion, hatte aber immer noch die Nase vorne und hätte sich am letzten Spieltag mit einem Sieg gegen Werder Bremen Platz sechs sichern können.
Aber die Löwen boten vor über 50.000 Zuschauern eine desolate Leistung, was vor allem auf die Querelen in den Tagen vor dem Spiel zurückzuführen war. Mannschaft und Vereinsführung gelangten auf keinen gemeinsamen Nenner in der Frage, wo man denn nun am Samstagabend die Saison-Abschlussfeier veranstalten sollte. Es gab mächtig Krach, vor allem um Kapitän Manfred Schwabl, der gegen Bremen nur auf der Bank saß. Am Ende heiß es wie in Karlsruhe 0:3 und die Mannschaft verpasste die direkte Qualifikation für den UEFA-Cup. „Natürlich sind wir alle enttäuscht“, sagte Präsident Wildmoser, „aber wir liegen vier Punkte über unserem Ziel.“ Trotzdem war es ein unschönes Ende einer Rückrunde, in der die Löwen über weite Strecken so grandios aufgespielt hatten. Trotz der beiden 0:3-Schlappen an den beiden letzten Spieltagen belegten die Löwen in der Rückrunden-Tabelle Rang drei mit 31 Punkten, viele Wochen lang durften sie sich sogar als beste Mannschaft nach der Winterpause preisen lassen.
KURIOSES
UEFA-Cup-Teilnahme am Strand
Die meisten Spieler befanden sich irgendwo im Urlaub in südlichen Gefilden, ein paar legten zuhause die Beine hoch – und trotzdem durften sie sich in diesem Moment den größten Erfolg seit 28 Jahren für den TSV 1860 ans Revers heften. Am frühen Abend des 14. Juni 1997 zogen die Löwen in den UEFA-Cup ein, möglich gemacht hatten es Borussia Dortmund als Champions-League-Sieger und der VfB Stuttgart durch einen 2:0-Sieg im Pokalfinale gegen Energie Cottbus. Damit reichte den Sechzgern ihr 7. Platz für die Teilnahme am internationalen Geschäft, wofür die Mannschaft mit insgesamt 1,5 Millionen Mark Prämie auch noch fürstlich entlohnt wurde. Nur, allen wäre es lieber gewesen, wenn man den UEFA-Cup-Platz schon zwei Wochen vorher hätte feiern können. Mit einem Sieg im letzten Heimspiel gegen Werder Bremen…
Das Herzkasperl-Derby
Die Löwen waren sooo nah dran am ersten Derby-Sieg nach fast 20 Jahren, aber am Ende hatte es wieder nicht gereicht. Der Lokalkampf vom 4. Mai 1997 wird als einer der dramatischsten und aufregendsten in die Geschichte eingehen. Es war ein Wahnsinns-Derby, das 185. Aufeinandertreffen zwischen Blau und Rot. Dass die Bayern nach dem 3:3 mit frohen Gesichtern und die Sechzger mit hängenden Köpfen den Platz verließen, sagt alles. 2:0 führten die Löwen durch zwei Treffer von Horst Heldt (der erste nach einem Solo über 80 Meter!) und führten den Lokalrivalen in der ersten halben Stunde nach Strich und Faden vor. Wer wollte hier eigentlich Meister werden, war die große Frage, die sich die 70.000 im Olympiastadion und die zig Millionen an den Fernsehschirmen stellten. Kurz vor der Pause gelang Jürgen Klinsmann der Anschlusstreffer und in der 57. Minute Mehmet Scholl sogar der Ausgleich. Sollten die Bayern doch wieder die Oberhand behalten? Dann aber flog Christian Ziege vom Platz (71.) und zehn Minuten später riss es die Löwen-Fans förmlich von ihren Sitzen. Der gerade eingewechselte Jörg Böhme hatte mit einem schier unglaublichen Kunstschuss die Sechzger wieder in Führung gebracht. Jetzt war der Sieg in der Tasche. Dachten jedenfalls die 1860-Anhänger, zumal kurz darauf auch noch Lothar Matthäus mit Gelb-Rot das Feld räumen musste. Elf gegen Neun – was sollte da noch schief gehen? Aber die Rechnung wurde ohne die Löwen-Abwehr gemacht. Anstatt den Vorsprung über die Runden zu retten, marschierten die blauen Defensivspezialisten munter nach vorn, ihnen genügte das 3:2 anscheinend nicht. Und dann kam, was kommen musste. Carsten Jancker erzielte gegen die entblößte 1860-Abwehr noch den Ausgleich und Werner Lorant tobte, dass die Wände wackelten: „So etwas passiert ja nicht einmal einer Schülermannschaft. Bei uns haben manche den Kopf nur zum Haareschneiden.“
Schnäppchen mit Millionenwert
Aufgefallen ist er den Verantwortlichen des TSV 1860 zum ersten Mal am 1. April 1995. Im Heimspiel gegen Dynamo Dresden. Bei den Sachsen kickte ein junger Mittelfeldspieler mit langen schwarzen Haaren mit, der durch seine Kampfkraft und Einsatzfreude auffiel und vor allem Peter Nowak das Leben schwer machte. Mit dem Namen konnte jedoch kaum einer was anfangen: Jens Jeremies. Wie auch? Der 21-Jährige hatte gerade mal sein zweites Bundesligaspiel hinter sich gebracht. Die 1860-Führung jedoch meerkte sich den Namen. Immer wieder wurde Jeremies in den restlichen Bundesligaspielen der Dresdner beobachtet und ziemlich bald stand fest: „Den holen wir!“ Lumpige 40.000 Mark mussten die Löwen hinblättern, da Jeremies als Vertragsamateur nach München wechselte. Und dann stieg sein Preis quasi von Tag zu Tag. Jeremies war vom ersten Spieltag an Stammspieler, 1860 bot ihm rasch einen Profi-Vertrag an und musste dafür nochmal 60.000 Mark nach Dresden überweisen. Immer noch nicht der Rede wert, angesichts der Leistungen, die „Jerry“ hinlegte. Mittlerweile rissen sich auch die Fernsehsender um den Mittelfeldspieler der Löwen, aber Jeremies weigerte sich lange Zeit beharrlich, ein Studio zu betreten. „Was soll ich da? Das interessiert doch kein Schwein, was ich sage“, wehrte er alle Anfragen ab. Dann aber gelang es einigen Mannschaftskollegen doch, ihn zu einem Besuch bei „Blickpunkt Sport“ zu überreden. Der Einladung von Bundestrainer Berti Vogts jedoch folgte Jeremies prompt. Beim WM-Qualifikationsspiel gegen die Ukraine in Bremen gehörte er erstmals zum Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft, zum Einsatz kam er nicht. Aber auch ohne die Weihen eines A-Länderspiels erhalten zu haben, war Jeremies mittlerweile längst Millionen wert. Spanische und italienische Vereine interessierten sich für ihn, auch andere Bundesligisten. Das einstige Schnäppchen entwickelte sich zu einem der begehrtesten Fußballer Deutschlands.
Kein Freund von Biergärten
Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. „Der TSV 1860 verpflichtet Abedi Pelé“, hieß es am 10. September 1996. Sämtliche deutschen Fernsehsender schickten Kamerateams zum ersten Training des Weltstars aus Ghana, der ablösefrei vom AC Turin geholt wurde. Auch für Pelé ging der Transfer fast ein bisschen zu schnell über die Bühne. Er erfuhr von seinem Manager lediglich, dass er künftig in München spielen würde und Abedi dachte da im ersten Moment an den FC Bayern. Ob er’s bei Giovanni Trapattoni leichter gehabt hätte? Werner Lorant jedenfalls gab in Sachen Pelé nichts auf dessen vergangene Erfolge (er feierte 1993 im Münchner Olympiastadion mit Olympique Marseille den Gewinn des Europapokals der Landesmeister), sondern erkannte rasch, dass er bei dem knapp 34-Jährigen, der in Turin wegen einer Verletzung lang nicht hatte spielen können, noch einiges an Aufbauarbeit zu verrichten hatte. So kam es, dass Abedi häufig nur auf der Bank saß, was ihm natürlich überhaupt nicht passte. Kurz vor Weihnachten sprach er offen aus, dass er 1860 wieder verlassen wolle. Was natürlich nicht in Frage kam. Lorant setzte im spanischen Trainingslager seine Aufbauarbeit an Pelé fort und in der Rückrunde präsentierte sich der Ghanaer endlich in einer Verfassung, die die Herzen der Fans und des Trainers höher schlagen ließ. Im April verlängerte der 34jährige sogar seinen Vertrag mit den Löwen um zwei Jahre, mittlerweile gefiel es ihm in München recht gut. Nur an eins konnte er sich hier nie gewöhnen. Dass man in einem Biergarten Essen zu sich nimmt. Als er das erste Mal mit Freunden in der Menterschwaige saß, weigerte sich Pelé beharrlich, außer einem Getränk etwas zu bestellen. „How you can eat here?“ sagte er und deutete auf das ein oder andere von einem Baum auf den Tisch heruntergefallene Blatt oder Ästchen. Essen im Freien – für Pelé unmöglich!
Verpasste Torjäger-Kanone
Werner Lorant war von manchen milde belächelt worden, als er zu Saisonbeginn sagte, dass er sich einen Bundesliga-Torschützenkönig namens Bernd Winkler durchaus vorstellen könne. Je länger die Spielzeit dann ins Land ging, umso mehr verging den Spöttern das Lachen. Winkler traf in schöner Regelmäßigkeit ins Schwarze, und nach 23 Spieltagen war’s soweit. Er führte die Torjägerliste erstmals mit 17 Treffern an, das große Ziel war greifbar nah. Bis ihn eine Verletzung auf dem Weg zur Krone stoppte. Die Leiste war kaputt, ein paar Spiele lang quälte sich der Stürmer trotzdem noch über die Runden, aber dann ging’s nicht mehr. Die Saison war für ihn vorzeitig beendet, verbittert musste er tatenlos zusehen, wie andere Bundesliga-Stürmer an ihm vorbeizogen. „Ich hätte es wirklich schaffen können“, sagte Winkler, „weil ich in dieser Saison auch endlich mal meine Chancen konsequent verwertet habe. So viele Möglichkeiten, um zu meinen 17 Toren zu gelangen, besaß ich nämlich gar nicht.“
INTERVIEW MIT MANNI SCHWABL
Manfred „Manni“ Schwabl fiel in dieser Saison bei Präsident Karl-Heinz Wildmoser in Ungnade wegen einer Mannschaftsfeier, die er als Kapitän organisiert hatte. Der Holzkirchner war 1994 zu den Löwen gekommen und trotz seiner roten Vergangenheit sofort zum Publikumsliebling. Insgesamt absolvierte der kleine Mittelfeldspieler 83 Bundesliga-Spiele für die Löwen, erzielte einen Treffer. Im Mai 2000 machte Schwabl nochmals auf sich aufmerksam, als er einen Plan für den Umbau des Grünwalder Stadions vorlegte. Doch der stieß bei Wildmoser und der Stadt auf wenig Gegenliebe. Sie favorisierten eine moderne Multifunktionsarena.
Welche Erinnerung haben Sie an die Spielzeit 1996/1997?
Manni Schwabl: Ich weiß noch, dass wir ganz gut mit einem 2:1-Heimsieg gegen den Hamburger SV in die Saison gestartet sind. Danach war irgendwie der Wurm drin, warum, kann ich aber nicht genau sagen. Die Rückrunde war dann wieder ganz gut, bis auf die letzten beiden Spiele.
Genau, die gingen jeweils mit 0:3 verloren – in Karlsruhe und zu Hause gegen Bremen.
Schwabl: Trotzdem haben wir den UEFA-Cup als Siebter geschafft, weil Dortmund die Champions League und Stuttgart den Pokal gewonnen hat.
Sie hatten in der Rückrunde in den ersten 15 Spielen 31 Punkte geholt. Wieso ging, die direkte UEFA-Cup-Qualifikation vor Augen, den Löwen die Puste aus?
Schwabl: Nach der Winterpause ging es zunächst gegen den Abstieg, da wir nur drei Punkte vor Rang 16 lagen. Dann legten wir eine sensationelle Rückrunde hin. Mit dem Ziel vor Augen sind wir verkrampft. Ich kann mich an das Spiel in Karlsruhe noch erinnern. Das haben wir nicht nur vom Ergebnis her vergeigt. Das hing schon mit dem Druck zusammen, obwohl wir zuvor als Mannschaft sehr gefestigt aufgetreten waren.
In dieser Saison gab’s auch ein legendäres Derby. 2:0-Führung für die Löwen, Ausgleich, Platzverweis Christian Ziege, erneute Löwen-Führung, Platzverweis Lothar Matthäus und dann kurz vor Schluss schafften die Roten mit zwei Mann weniger durch Carsten Janker das 3:3.
Schwabl: Daran kann ich mich gut erinnern. Das war wirklich ein kurioses Spiel und das einzige Derby in meiner Karriere, das ich von der Bank aus verfolgen musste. Nach dem 3:2 von Jörg Böhme war eigentlich klar, dass wir das Spiel gewinnen. Aber der Ausgleich passte zur gesamten Saison; es war ein ständiges Auf und Ab, wobei sie unterm Strich absolut positiv verlaufen ist.
Es war ihre letzte, obwohl Sie noch Vertrag hatten. Eine von Ihnen organisierte Saisonabschlussfeier war der Auslöser.
Schwabl: Der Verein wollte keine Abschlussfeier machen, als Kapitän sah ich mich in der Pflicht, da viele langjährige Spieler wie Thomas Miller, Bernhard Trares oder Rainer Berg den Verein verließen oder ihre Karriere beendeten. Drei Tage vorher ließ Wildmoser plötzlich eine offizielle Feier anberaumen. Wir zogen unsere trotzdem durch. Ich als Kapitän wurde danach an den Pranger gestellt, Wildmoser zeigte sich persönlich beleidigt. Die meisten Fans stellten sich auf meine Seite. Es gab Morddrohungen für Lorant und Wildmoser, Autos wurden zerkratzt oder mit Säure beworfen, bei jedem Training war Polizei da. Irgendwann hatte ich genug, bat um Vertragsauflösung. Wir konnten uns auch relativ schnell einigen.