Wie jedes Jahr gibt’s auch heuer wieder einen kräftigen Wechsel in der 3. Liga. Sieben Teams in der 20er-Liga sind neu, also mehr als ein Drittel. Zu den drei Zweitliga-Absteiger SSV Jahn Regensburg, SV Sandhausen und Arminia Bielefeld kommen die vier Regionalliga-Aufsteiger VfB Lübeck, SC Preußen Münster, SSV Ulm 1846 und die SpVgg Unterhaching. Nacheinander stellen wir die Neuen vor, diesmal den SSV Ulm 1846.
Premiere für den SSV Ulm 1846: Erstmals werden die Fußballer aus der Stadt mit dem höchsten Kirchturm der Welt (161,53 Meter) in der 3. Liga an den Start gehen. Lange darbten die Spatzen unter diesem vor sich hin, mussten nach der Jahrtausendwende gleich drei Insolvenzen überstehen. Begonnen hatte das Elend genau auf dem sportlichen Höhepunkt. In der Saison 1999/2000 spielte der Klub noch in der Bundesliga, stieg postwendend ab. In der darauffolgenden Zweitliga-Saison begann der Niedergang endgültig: Abstieg und keine Lizenz für die damals drittklassige Regionalliga Süd, weil der insolvente SSV dem DFB nicht nachweisen konnte, dass sein Etat für die komplette Folgesaison gedeckt sei.
Da auch die Oberliga keine Option darstellte, weil aufgrund der Regelung wegen des Insolvenzantrags die Schwaben am Ende der Saison automatisch hätten absteigen müssen, ging die erste Mannschaft freiwillig bis in die fünftklassige Verbandsliga Württemberg runter, wo bis dato die Reserve spielte. Es sollten 2008 und 2014 weitere Insolvenzen folgen.
Immerhin stieg Ulm 2002 sofort aus der Verbandsliga auf und 2008 in die Regionalliga Süd, wo der SSV 1846 regelmäßig gegen die 1860-Reserve spielte. Zwischen 2014 und 2016 ging’s nochmal runter in die mittlerweile fünftklassige Oberliga. Danach spielten die Schwaben durchgehend in der Regionalliga Südwest. Schon im letzten Jahr sahen sie lange wie der sichere Aufsteiger aus, ehe die SV Elversberg in einem fulminanten Endspurt die Ulmer noch überholte. Diesmal waren die Spatzen einfach dran, auch wenn es auf der Zielgeraden erneut eng wurde.
Architekt des Aufstiegs ist Trainer Thomas Wörle und sein Assistent Maximilian Knauer, beide mit einer Löwen-Vergangenheit. Wörle, im fränkischen Krumbach geboren, absolvierte zwischen 2003 und 2005 65 Spiele in der Oberliga Bayern und Regionalliga Süd für die 1860-Reserve. Noch erfolgreicher war Knauer, der bei den Junglöwen ausgebildet wurde und der Goldenen 1989er-Generation der Sechzger um die Bender-Zwillinge angehörte. 2006 feierte Maxi Knauer die Deutsche-B-Junioren-Meisterschaft, mit den Junglöwen, ein Jahr später stand er im Team, das den A-Junioren-Vereinspokal des DFB gewann. Der ganz große Wurf blieb dem Mittelfeldtalent aufgrund von hartnäckigen Verletzungen versagt. Im Herrenbereich absolvierte der gebürtige Freisinger lediglich noch 42 Spiele in der Regionalliga Süd, verließ im Winter 2011 den Verein.
Sowohl Wörle als auch Knauer verlängerten nach dem Aufstieg ihre Verträge bei den Spatzen. „Mit dem Aufstieg in die 3. Liga warten nun die nächsten großen Herausforderungen auf uns, die wir bodenständig, aber ambitioniert und vor allem gemeinsam im Team angehen werden. Ich blicke mit großer Vorfreude und hochmotiviert auf die neue Saison, speziell auf die Spiele im Donaustadion vor unseren großartigen Fans“, sagte der 41-jährige Cheftrainer bei der Vertragsverlängerung.
Wörle hatte zur Saison 2021/22 das Team übernommen. Zuvor war er zwischen 2010 und 2019 als Coach der Bayern-Frauen aktiv, gewann mit ihnen zweimal die Meisterschaft und einmal den DFB-Pokal. Ihm gelang es innerhalb von zwei Jahren, die Ulmer Männer zu einem Spitzenteam zu formen, indem er eine alte Sport-Weisheit befolgte: Offensive gewinnt Spiele, Defensive Meisterschaften. 25 Gegentore in 34 Spielen war absoluter Top-Wert in der Regionalliga Südwest. Dem standen nur 59 eigene Tore gegenüber. Der zweitplatzierte TSV Steinbach Haiger und die drittplatzierte TSG Hoffenheim II erzielten jeweils 21 Treffer mehr, kassierten aber auch entsprechend mehr Gegentore.
Wörle selbst beschrieb die Spielweise als „Original Regionalliga-Fußball“. Und Torwart Christian Ortag ergänzte: „Wir haben oft gezeigt, dass wir eine 1:0-Führung ins Ziel bringen können, und das ist auch eine Qualität.“
Doch Defensivqualität mit dem überragenden Keeper Ortag und den Innenverteidiger-Routiniers Thomas Geyer und Johannes Reichert wird in der 3. Liga alleine nicht reichen, um den anvisierten Klassenerhalt zu schaffen. Offensiv ragte Lucas Röser heraus, der mit 13 Treffern der mit Abstand gefährlichste Ulmer war. Der 32-jährige Andreas Ludwig, einst in der Rückrunde der Saison 2013/14 von der TSG Hoffenheim an die Löwen ausgeliehen und in zehn Zweitliga-Partien eingesetzt, überzeugte mit seiner Erfahrung im Mittelfeldzentrum der Donaustädter. Ohnehin wies der SSV in der Regionalliga Südwest den höchsten Altersschnitt bei den eingesetzten Spielern auf.
In der 3. Liga werden sich die Ulmer verjüngen müssen, um konkurrenzfähig zu sein. Bastian Allgeier, dessen Leihe vom KSC ausläuft, und Marcel Schmidts sind bisher die einzigen bekannten Abgänge aus dem Aufstiegskader. Bei den Zugängen hat sich auch nicht viel getan. So konnte der Klub lediglich die Verpflichtung von Felix Higl von Zweitliga-Aufsteiger VfL Osnabrück verkündigen. Für den 26-Jährigen ist es eine Rückkehr. Vor zwei Jahren war der 1,94 Meter große Stürmer von Ulm an die Bremer Brücke gewechselt, absolvierte dort 63 Drittligaspiele, erzielte dabei sechs Tore und bereitete weitere sechs vor.
Momentan laufen die Vorbereitungen auf die erste Drittliga-Saison der Spatzen auf Hochtouren. Dafür müssen neben sportlichen auch infrastrukturelle Hausaufgaben erledigt werden. Aufsichtsrat Anton Gugelfuß hatte schon vor Jahren gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ gemahnt, dass das Donaustadion mit Leichtathletik-Laufbahn nicht den geforderten Ansprüchen genüge. „Mit den aktuellen Möglichkeiten werden wir im Profibereich nie längerfristig wettbewerbsfähig sein können." So stehen in einem ersten Schritt knapp 10 Millionen Euro zur Verfügung, mit denen in Sachen Beleuchtung, Brandschutz und Fluchtwege in dem 18.000 Zuschauer fassenden Donaustadion einiges modernisiert werden muss. Sicher werden die Heimspiele gegen die Löwen oder Dynamo Dresden zu einem ersten Stresstest werden.
DATEN & FAKTEN
Name: SSV Ulm 1846
Gründung: 9. März 2009
Mitglieder: 9.920 (1. Januar 2022)
Vereinsfarben Schwarz-Weiß
Größte Erfolge: Deutscher Amateurmeister 1996, Meister Regionalliga Süd 1998 & Aufstieg in die 2. Bundesliga, Aufstieg in die Bundesliga 1999, elffacher Gewinner des Württemberg-Pokals
Stadion: Donaustadion (19.500 Plätze)
Homepage:www.ssvulm1846-fussball.de
Social Media: Facebook: @ssvulm1846fussball; Twitter: @ssvulm1846fb; Instagram: @ssvulmfussball; YouTube: @spatzentv
Trainer: Thomas Wörle (seit 11.02.1982)
Letzte Saison: 1. Platz Regionalliga Südwest mit 72 Punkten aus 34 Spielen (Torverhältnis: 59:25)
Bester Torschütze: Lucas Röser (13 Treffer)
Bilanz SSV gegen Sechzig: 23 Spiele, 6 Siege, 5 Unentschieden, 12 Niederlagen; Torverhältnis: 36:50
Spieler, die für beide Teams aktiv waren: u.a. Andreas Ludwig, Alessandro Abruscia, Matthias Lehmann, Sascha Rösler, Wolfgang Fahrian
KURIOSES
In diesem Jahrtausend war bei den Ulmer Spatzen von Liga eins bis fünf alles geboten nach drei Insolvenzen in 13 Jahren: 2001, 2010 und 2014. Die Fans konnten es nur mit Humor ertragen, singen noch heute: „Ich fuhr schon bis an die Nordsee, ich fuhr schon bis an den Rhein, jetzt fahr ich über die Dörfer, sing‘ wie schön es ist, Ulmer zu sein!“ Ein Spieler hat die komplette Bannbreite miterlebt: Der ewige Holger Betz stand 18 Spielzeiten im Tor der Münsterstädter, absolvierte 508 Spiele für die Spatzen und ist seit dem Karriereende Torwart-Trainer der ersten Mannschaft. Aber auch in den Niederungen des Amateurbereichs schaffte es der SSV gleich dreimal, im DFB-Pokal die Großen zu ärgern. 2001 musste der 1. FC Nürnberg gegen den Fünftligist dran glauben, 2018 besiegten die Spatzen den aktuellen DFB-Pokalsieger Eintracht Frankfurt im Donaustadion und 2020 gelang der Erstrundencoup gegen Erzgebirge Aue.
TRANSFERS (Stand: 13.06.2023)
Zugänge: Felix Higl (VfL Osnabrück)
Abgänge: Bastian Allgeier (Karlsruher SC/Leihende), Marcel Schmidts (Ziel unbekannt)
Die Neuen der 3. Liga: VfB Lübeck – Ein neuer Anlauf.
Die Neuen der 3. Liga: Preußen Münster – Aller guten Ding sind drei!