Miki Stevic krempelte zur Saison 2009/2010 die Mannschaft kräftig um, verließ den Kurs mit selbst ausgebildeten Spielern und setzte auf Risiko. Doch von den Neuen, die mit großen Vorschusslorbeeren nach Giesing gekommen waren, konnte kaum einer die Erwartungen erfüllen. Erst das erfolgreiche Vorrunden-Finale katapultierte die Löwen weg von der Abstiegszone ins Mittelfeld. Ohne ernsthaft um den avisierten Aufstieg mitgespielt zu haben, sprang am Ende der 8. Tabellenplatz heraus.
Es war ein seltener Mix in der Führungsriege, mit der die Löwen in die Saison 2009/2010 starteten. Als Geschäftsführer stand Marketing-Fachmann Manfred Stoffers ganz vorne, wenig Ahnung von Fußball und nicht unbedingt ein Spezialist in kaufmännischen Belangen. Sportlich hatte Manager Miki Stevic das Sagen, äußerst geschäftstüchtig, aber nicht immer auf die Interessen des Vereins fixiert. Und dann war da noch Trainer Ewald Lienen. Der Westfale, der zur aktiven Zeit gerne den Revoluzzer gab, passte überhaupt nicht nach Giesing. In Presserunden erzählte er gerne den Münchner Journalisten davon, wie unfair die Sechzger in den Relegationsspielen mit ihm und Arminia Bielefeld im Jahr 1977 umgegangen waren, sprach sogar offen von Betrug. So richtig warm wurde er mit München und den Löwen-Fans nie. Auch hatte man nie den Eindruck, dass das, was er tat, bis ins letzte Detail durchdacht war. Er glich eher einem zerstreuten Professor. Legendär sind die Diskussionen mit seinem Schwiegersohn und Co-Trainer Abder Ramdane am Spielfeldrand, wenn es darum ging, wer aus- und wer eingewechselt werden sollte. Manchmal zog sich das Schauspiel über Minuten hin, bis der entsprechende Spieler hergewinkt wurde.
Bei der Kaderzusammenstellung verließ sich Lienen fast ausschließlich auf Stevic, der auf Erfahrung setzte. Zunächst tauschte er das Talent Sven Bender für Antonio Rukavina. Der Serbe hatte schon die Rückrunde auf Leihbasis von Borussia Dortmund für die Löwen gespielt. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke rieb sich noch Jahre später die Hände wegen des Deals. Während Rukavina an Wert verlor und selbst in der Zweiten Liga nie zu einem überragenden Verteidiger wurde, steigerte der Brannenburger seinen Transferwert beim BVB innerhalb kurzer Zeit um das Zehnfache.
Bei einer Verpflichtung traf Stevic jedoch ins Schwarze: Mit Gabor Kiraly holte er einen Schlussmann, der über Jahre die unumstrittene Nummer Eins im 1860-Tor sein sollte. Doch auch beim Transfer des Ungarns gab’s Probleme, weil der Löwen-Manager seinen Geschäftsführer nicht über alle Vertragsdetails unterrichtet hatte. Während im Presseraum bereits die geladenen Journalisten auf die Vorstellung des neuen Löwen-Keepers warteten, wurde oben in Stoffers Büro noch eifrig verhandelt. Irgendwann wurden sich die Parteien doch einig und Kiraly konnte seinen Dienst antreten.
Während Kiraly hielt, was er versprach, galt dies für die anderen neun von extern verpflichteten Spielern im Sommer 2009 nur bedingt. Kenny Cooper, der 1,92-Meter-Sturmbrocken aus Amerika (FC Dallas), schürte anfangs mit einigen Toren große Hoffnungen, verletzt sich dann und wurde bereits im Winter nach England zu Zweitliga-Absteiger Plymouth Argyle verliehen. Oder Radhouene Felhi. Der Tunesier war als „bester Innenverteidiger Afrikas“ offeriert worden. Lienen, der ihn zuvor nur auf DVD gesehen hatte, merkte später an, dass er nie einer Verpflichtung zugestimmt hätte, wenn er gewusst hätte, wie langsam der Abwehrspieler sei.
Der Rumäne Florin Lovin kam mit der Referenz von Champions-League-Einsätzen bei Steaua Bukarest, fiel nach einer Kreuzband-OP aber lange aus und konnte nie die Erwartungen erfüllen. Das galt auch für den Brasilianer Marcos Antonio, Ardijan Djokaj, der von Ligakonkurrent TuS Koblenz kam, Kushtrim Lushtaku oder dem Griechen Charilaos Pappas. Mit großen Vorschusslorbeeren kam Alexander Ludwig nach München. In der Saison zuvor hatte er sich beim FC St. Pauli als Spielmacher und Torschütze mit überragenden Leistungen in Szene gesetzt. Daran konnte der bei den Löwen nie anknüpfen. Anders war die Sache bei Aleksandar Ignjovski gelagert. Der Junge Serbe aus Belgrad offenbarte Talent, doch die Transferrechte lagen nicht bei den Löwen. Aus dem eigenen Nachwuchs wurden die Talente Sandro Kaiser, Tarik Camdal, Peniel Mlapa und Dominik Stahl zu den Profis hochgezogen.
Giesing international hieß also das Motto. Der Auftakt begann vielversprechend. Zunächst konnten sich die Löwen in der 1. Runde des DFB-Pokals bei Ligakonkurrent SC Paderborn mit 1:0 durchsetzen. Im Heimspiel zum Zweiliga-Auftakt gab es einen 2:0-Erfolg über die TuS Koblenz. Dabei schien mit den beiden Torschützen Cooper und Benny Lauth ein neues Traumduo gefunden zu sein. Doch schon im Auswärtsspiel in Rostock erhielten die Sechzger den ersten Dämpfer. Zwei individuelle Abwehrfehler führten trotz Chancenplus zu einer 1:2-Niederlage. Anschließend verließ nach Bruder Sven auch Lars Bender den Verein, schloss sich trotz laufenden Vertrags Bayer Leverkusen an. Es folgte ein 1:3 zu Hause gegen den Karlsruher SC und ein torloses Remis bei Rot-Weiss Ahlen. Der 3:1-Erfolg über Greuther Fürth wurde überschattet durchs Lovins Kreuzbandriss nach einem Pressschlag. Im anschließenden Auswärtsspiel in Aachen setzte es eine 0:2-Niederlage.
Hoffnung machte der folgende Auftritt im DFB-Pokal gegen Bundesligist Hertha BSC. Lange dominierten die Löwen die Hauptstädter, führten durch ein Eigentor von Rasmus Bengtsson und Cooper bereits 2:0, beherrschten den Gegner. Dann verletzte sich Mathieu Beda, der vor der Abwehr für Ordnung gesorgt hatte. Lienen wechselte für ihn den auf dieser Position heillos überforderten Mate Ghvinianidze ein und die Hertha glich innerhalb von vier Minuten durch Adrian Ramos und Valeri Domovchiyski auf 2:2 aus. In der Verlängerung war es dem Aluminium und Torhüter Kiraly zu verdanken, dass sich die Sechzger ins Elfmeterschießen retten konnten. Dort zeigte der Ungar gegen den Ex-Klub seine ganze Klasse. Mit 4:1 setzte sich der Zweitligist durch.
Doch dieser Erfolg brachte in der Liga nicht den erhofften Rückenwind. Zu Hause gegen Paderborn blieb es erneut torlos, zudem sah Stefan Aigner die Rote Karte. Beim nächsten Auftritt auf St. Pauli war ebenfalls nichts zu holen (1:3). Damit standen die Löwen auf Platz 15 nur noch drei Punkte vor dem Relegationsrang. Durch einen 3:1-Erfolg über den MSV Duisburg in der Allianz Arena feierte das Lienen-Team den dritten Saisonsieg. In dieser Partie gab Emanuel Biancucchi sein Profidebüt. Normalerweise nichts Besonderes, zumal er bis dato und auch später nie sonderlich in Erscheinung trat. Als Cousin von Weltfußballer Lionel Messi war dem Argentinier die Aufmerksamkeit gewiss.
In der nächsten Partie beim FSV Frankfurt, mit zwei Punkten aus den bisherigen neun Spielen Tabellenletzter, war ein Sieg fast schon Pflicht. Doch die Löwen enttäuschten, lagen bereits mit 0:3 am Bornheimer Hang zurück, ehe sie in den letzten zehn Minuten noch zweimal trafen. Unter der Woche folgte dann das Aus im DFB-Pokal-Achtelfinale. Sang- und klanglos unterlagen die Löwen Schalke 04 mit 0:3.
Das darauffolgende Punktspiel hatte eine besondere Brisanz, kam doch Ex-Spieler und -Trainer Marco Kurz mit dem 1. FC Kaiserslautern in die Arena. Die Roten Teufel gewannen mit 1:0 und Kurz jubelte beim Treffer ausgiebig in Richtung Löwen-Bank. Adressat war Stevic, der ihn in der Vorsaison ausgebotet hatte. Doch Lienen bezog die Reaktion auf sich, verweigerte auf der Pressekonferenz dem früheren Löwen-Kapitän den Handschlag und sorgte somit für einen Eklat. Während Lienen mit dem TSV 1860 kurz vor den Abstiegsrängen rumdümpelte, stand Kurz mit den Pfälzern auf einem Aufstiegsplatz. Für ihn so etwas wie eine Genugtuung!
Der Heimniederlage folgte ein 0:1 in Cottbus – die dritte Niederlage in der Liga in Folge und die vierte am Stück. Es rumorte an allen Ecken und Enden. Vor dem Auswärtsspiel in Bielefeld fiel auch noch Cooper mit einem Innenbandriss aus. Als dann Stefan Aigner auf der Alm Gelb-Rot sah, schienen den Löwen endgültig die Felle davon zu schwimmen, aber Charilaos Pappas erzielte kurz vor Schluss das Tor des Tages. Erstmals nach acht Monaten holten die Löwen damit wieder einen Dreier in der Fremde.
Dieser Sieg gab so viel Auftrieb, dass die Löwen bis zur Winterpause eine kleine Serie starteten. Dem 2:2 zu Hause gegen Fortuna Düsseldorf folgte in Oberhausen der nächste Auswärtssieg mit 1:0. Mit dem gleichen Ergebnis wurde anschließend der FC Augsburg vor der mageren Derby-Kulisse von 37.100 Zuschauern bezwungen. Zum Jahresabschluss gab es an der Alten Försterei gegen Union Berlin ein 1:1. Damit überwinterten die Löwen mit 22 Punkten auf Rang zwölf, acht Punkte hinter dem Aufstiegsrelegationsplatz und elf Zähler hinter Rang zwei. Hoffnung machten lediglich die acht Punkte aus den letzten vier Partien zum Vorrundenende.
In der Winterpause tat sich nochmals einiges im Kader. Der Vertrag mit Ardijan Djokaj, der nur zu drei Einsätzen kam, wurde aufgelöst. Benjamin Schwarz, einst als großes Talent gehandelt, wechselte nach Unterhaching, Antonio Di Salvo, ohne Einsatz in der Vorrunde, schloss sich dem Kapfenberger SV an und U19-Europameister Florian Jungwirth Dynamo Dresden.
Verpflichtet wurde im Winter Mittelfeldspieler Eke Uzoma vom SC Freiburg und Mittelstürmer Djordje Rakic von RB Salzburg. Daraufhin ließ sich Cooper an Plymouth Argyle ausleihen. Aus Sicht des sympathischen US-Amerikaner eine logische Entscheidung. Denn in Lienens System gab es nur einen zentralen Stürmer. Mit Cooper selbst, Lauth, Manuel Schäffler, Peniel Mlapa, Di Salvo, und dem im Sommer zuvor wieder in die Reserve zurückversetzten Matthias Fetsch hatten die Löwen in der Vorrunde bereits ein Überangebot an Zentrumsstürmern. Die Personalie Rakic war ein weiteres Indiz für eine nicht sehr durchdachte Kaderplanung.
Zu Beginn der Rückrunde setzten die Löwen ihre Serie fort. Einem 2:2 in Koblenz folgte ein deutlicher 3:0-Erfolg gegen Hansa Rostock vor eigenem Publikum. Anschließend stoppte der Schnee den TSV 1860. Der hatte den Karlsruher Wildpark unbespielbar gemacht. Im darauffolgenden Heimspiel beendete ausgerechnet das abgeschlagene Schlusslicht Ahlen die Serie von sieben ungeschlagenen Spielen durch einen 1:0-Erfolg in der Arena.
Doch sechs Tage später zeigten sich die Löwen gut erholt, entführten mit 2:1 alle drei Punkte aus Fürth. Der nächste Dämpfer kam prompt. Das Nachholspiel in Karlsruhe ging mit 0:2 verloren. Es folgte ein 3:2 gegen Aachen und ein 1:3 in Paderborn. Drei Sieg in Folg ließen nochmals leichte Aufstiegshoffnungen keimen: 2:1 gegen St. Pauli, 1:0 in Duisburg und 2:1 gegen FSV Frankfurt. Doch Kaiserslautern holte die Lienen-Truppe auf den Betzenberg auf den Boden der Realität zurück. Mit 4:0 sorgten die Roten Teufel für die höchste Saisonniederlage der Löwen. Es folgte ein 1:2 zu Hause gegen Cottbus. Damit hatte der TSV 1860 fünf Spieltage vor dem Ende bereits 13 Punkte Rückstand auf den Drittplatzierten FC Augsburg.
Die Achterbahn-Fahrt setzte sich auch im Saisonfinale fort. Ein 3:1 in der Arena über Bielefeld folgte ein 0:2 in Düsseldorf, ein 2:2 zu Hause gegen Oberhausen, ein 0:1 in Augsburg und zum Abschluss ein 2:0-Erfolg über Union Berlin. Zwar sprang mit Rang acht wieder ein einstelliger Tabellenplatz heraus, doch ernsthafter Kandidat für den Aufstieg waren die Löwen in dieser Spielzeit nie. Zudem war der Zuschauerschnitt mittlerweile auf 22.000 gesunken – etwa die Hälfte von den Besucherzahlen im ersten Jahr des Umzugs in die Allianz Arena. Das Konzept, auf erfahrene Spieler anstelle von selbst ausgebildeten Talenten zu setzten, wurde von den Fans nicht angenommen und war somit sportlich und wirtschaftlich gescheitert.
Die ohnehin schon angespannte finanzielle Lage hatte die Saison weiter verschärft durch eine negative Transferbilanz und eine Klage gegen die Stadion-GmbH wegen angeblich falsch berechneter Catering-Kosten, die die Löwen auf ganzer Linie verloren. Daraufhin nahm Geschäftsführer Stoffers seinen Hut. Zuvor hatte sich bereits Trainer Lienen trotz laufenden Vertrags zu Olympiakos Piräus verabschiedet. Nur Stevic blieb.
KURIOSES
Stoffers eklatante Fehleinschätzung
Manfred Stoffers wusste sich in Szene zu setzen. Besonders seine Vorworte im Stadionheft waren Kult. Tagelang feilte er an diesen, waren sie doch willkommene Abwechslung, dem trockenen Alltag eines Geschäftsführers zu entfliehen. Wahre Kunstwerke entsprangen seiner Feder. Auch mit seinen Aussagen gegen den ungeliebten Nachbarn FC Bayern punktete er bei den Fans. Letztlich wurde ihm dieser Konfrontationskurs zum Verhängnis. Wegen der Catering-Kosten für die Business Seats verklagte er die Allianz Arena GmbH, seit dem Anteilsverkauf eine hundertprozentige Tochter des FC Bayern. Vertraglich mussten die Sechzger für jedes Heimspiel die Verköstigung sämtlicher Sitze berappen, unabhängig von der tatsächlichen Belegung. Stoffers hielt diesen Vertrag für sittenwidrig und überwies nur die tatsächlich angefallenen Kosten. Darüber hinaus monierte er, die Bayern hätten bei der Übernahme der Stadionanteile die Notsituation des TSV 1860 ausgenutzt und Verträge erzwungen, ,,die wirtschaftlich an Wahnsinn grenzen und den Verein permanent an die Wand drücken“. Wegen der Einbehaltung der Catering-Kosten hatte die Stadion GmbH ihrerseits Klage geführt. Darauf wiederum reagiert Sechzig mit einer Klage, die die Umstände der Übernahme der Stadionanteile durch die Bayern auf den Prüfstand stellen sollte. Beim ersten Termin im sogenannten „Catering-Prozess“ ließ die Richterin durchaus Sympathie für die Position des TSV 1860 erkennen. Das ermunterte Stoffers, keine Miete mehr zu zahlen im Vorgriff auf die nach dem erwarteten Prozessgewinn anstehenden Rückzahlungen. Am 14. Juli 2010, mitten in der Vorbereitung auf die neue Saison, erging dann der Urteilsspruch des Landgerichts München I. Die Stadion GmbH siegte auf ganzer Linie, 1860 wurde zur Zahlung von 542.344 Euro an einbehaltenen Catering-Kosten verurteilt, zuzüglich Zinsen und Gerichtskosten. Der beanstandete Vertrag sei von Kaufleuten abgeschlossen und deshalb keineswegs sittenwidrig, so das Urteil. Auch kartellrechtliche Beanstandungen sah das Gericht keine.
Ludwig und das Missverständnis
Alexander Ludwig kam mit der Empfehlung von zehn Toren und fünf Assists vom FC St. Pauli zu den Löwen. Der Mittelfeldspieler stellte sich gern als der etwas andere Sportler dar, erzählte, dass er nach der Karriere entweder Sozialpädagogik studieren oder in einem Kinderhort arbeiten wolle und fuhr mit einem Smart zum Training vor. Geschäftsführer Manfred Stoffers war von dem bescheidenen und intelligenten Profi begeistert, aber nur so lange, bis er feststellte, dass Ludwig in seinem Fuhrpark auch einen mehr als 100.000 Euro teuren Audi R 8-Sportwagen stehen hatte. Auch auf dem Platz zeigte der Thüringer zwei Gesichter. Mal gab der frühere Junioren-Nationalspieler den flinken, spielfreudigen Mittelfeldantreiber, dann wieder den behäbigen, phlegmatischen Stehgeiger. Während er bei seinem vorherigen Verein viele Freiheiten genoss, setzte ihn Lienen sogar infolge von Personalnot als Abräumer vor der Abwehr ein. „Das habe ich mir anders vorgestellt“, sagte Ludwig. Zumal die Position als hängende Spitze, die ihm vorschwebte und mit der er geködert worden war, in Lienens System überhaupt nicht existierte. Die Enttäuschung war aber beidseitig, denn die Löwen-Verantwortlichen hatten sich von dem Ausnahmetalent, dem mittelfristig die Bundesliga zugetraut wurde, mehr erwartet. Im Gegensatz zu dem Trainer hielt Miroslav Stevic seiner Verpflichtung die Stange. „Ich bin fest davon überzeugt, dass der ,Lude’ bei uns seinen Weg noch machen wird.“ Leider behielt er nicht Recht. Ludwig absolvierte in zwei Jahren 48 Zweitliga-Spiele, erzielte neun Tore und bereitete sechs vor. Aber der erhoffte Kracher wurde er nicht. Er verließ die Löwen in Richtung Cottbus. Dort kam er am Ende nur noch in der Reserve zum Einsatz. Es folgten einige unterklassige Klubs. 2019 beendete er seine aktive Karriere bei Wacker Gotha.
Eher Mini-Zeh als Zé Roberto
Es war eine skurrile Situation, als Marcos Antonio verpflichtet wurde. Man hätte meinen können, der Neuzugang sei von der Klasse eines Ronaldos. Fünf brasilianische Berater plus Roland Grahammer schlugen auf der Geschäftsstelle auf, als der Brasilianer den Vertrag unterzeichnete. Dabei stellte sich heraus, dass der 21-Jährige die sogenannte Schweinegrippe hatte. Hektisch wurde schnell alles desinfiziert, was der Spieler angefasst hatte. Durch die Krankheit konnte er nicht sofort ins Training einsteigen, Visa-Probleme wurden deshalb vorgeschoben. Ewald Lienen hielt alles nicht davon ab, den Neuen mit Lobeshymnen zu überhäufen: „Er kann im linken Bereich alles spielen“, so der Trainer. „Er hat schon mal hinten links, hinten vorne, als Sechser, als Zehner gespielt. Er ist ein Allround-Linksfuß. So ein Mini-Zé-Roberto.“ Dabei hätte ein Blick auf seine Vita gereicht, um ihn als „Lame duck“ auszumachen, was auch seinem Watschelgang entsprach. Sein Stammverein Corinthians Alagoano hatte ihn die drei Jahre zuvor ständig ausgeliehen, sogar bis nach Japan zu Kashiwa Reysol , außerdem zu CRB Maceió, AS Arapiraquense, América FC und SE Gama. Sein Rekord auf dieser Tour waren sieben Spiele für einen Klub. In dieses Schema fügten sich auch die Löwen nahtlos ein. Fünf Mal kam das so gepriesene Talent in der Zweiten Liga zum Einsatz, dann ging’s für den Mini-Zeh zurück nach Brasilien, wo er gleich wieder verliehen wurde.
Der abergläubische Herr Lienen
Egal, ob Schnee, Regen, Wind oder Sonne. Trainer Ewald Lienen war zum Ende der Hinrunde immer in derselben Kombination am Spielfeldrand unterwegs: Schwarzes Sakko, längsgestreiftes Hemd und Halbschuhe. Da es kurz vor Weihnachten schon richtig kalt war, zog er wenigstens ein wärmendes und engsitzendes Funktionsshirt des 1860-Ausrüsters drunter. Und warum das Ganze? In diesem Outfit hatte Lienen am 20. November 2009 mit den Löwen einen ganz wichtigen 1:0-Erfolg bei seinem Ex-Klub Arminia Bielefeld gefeiert. Anschließend startete er mit dem Team eine Serie. Auch beim 3:0-Triumph über Hansa Rostock am 22. Januar 2020 stand er in dem Outfit an der Linie, während Miki Stevic bei Minus-Temperaturen dick eingepackt in seiner gut gefütterten Daunenjacke auf der Bank kauerte. „Diese Kombination hat sich etabliert, damit fühl’ ich mich am wohlsten“, so der Trainer, der das Frühlingsoutfit wenigsten regelmäßig waschen ließ. „Ich mag’s nicht, wenn ich stinke!“ So ganz konnte Lienen aber nicht zu seinem Aberglauben stehen. Schließlich passte das nicht zu ihm als Intellektuellen. „Natürlich bin auch ich abergläubisch, aber wenn einer glaubt, dass man durch die Wahl der Kleidung Spiele gewinnt, dann hat der eigentlich kein Vertrauen in die eigene Arbeit, oder?“ Und er fügte grinsend hinzu: „Wenn ich mich an so was klammern würde, dann hätte ich ja in den vergangenen Monaten nach jedem zweiten Spiel meine Klamotten verbrennen müssen…“ Das Ende der Serie kam im achten Spiel, ausgerechnet zu Hause gegen den Stockletzten Rot-Weiss Ahlen. Anschließend konnte Lienen wieder die Winterkleidung aus dem Schrank holen. Schließlich war es bereits Februar.
Maradona & Messi zu Gast bei den Löwen
Die argentinische Nationalmannschaft trainierte vor dem Aufeinandertreffen mit dem DFB-Team am 1. März 2010 auf dem Trainingsgelände der Löwen. Morgens um 11 Uhr absolvierten die Nationalkeeper der Gauchos, Roberto Abbondanzieri und Sergio Romero, auf Platz 1 eine Einheit. Die große Überraschung: Nach einem Besuch im 1860-Fanshop erschien Fußballikone Diego Armando Maradona auf dem Rasen. Am Spielfeldrand lehnte der frühere Weltklasse-Fußballer lässig am Zaun und qualmte eine dicke Zigarre, während er das Training beobachtete. Christl Estermann, die Wirtin des Löwenstüberls, brachte sogar einen Sonnenschirm, um die „Hand Gottes“ vor der Sonne zu schützen. Nur einmal wurde der Argentinier etwas unwirsch, als Ultra Marco Mandica etwas zu aufdringlich um ein Foto mit seinem Idol bat. Maradona motzte ihn nach dem Training an. „Alle kriegen jetzt ein Foto, nur du nicht“, rief er in einem spanisch-italienisch Mischmasch. „Du gehst mir auf die E...“, sagt er noch und griff sich in den Schritt. Am Abend kam dann die komplette Elf um Superstar Lionel Messi, die im Hotel Mandarin Oriental neben dem Hofbräuhaus logierte, auf das Vereinsgelände der Löwen. 1860-Präsident Rainer Beeck begrüßte Argentiniens Nationaltrainer Maradona beim Training der „Gauchos“ und überreichte ihm einen Porzellanlöwen und einen 150-Jahre-Jubiläumsschal des TSV 1860. Diegos kurzer Kommentar: „Muchas Gracias, un fantástico León!“ Und Emanuel Biancucchi traf seinen Cousin Messi noch zu einem kurzen Plausch. Argentinien gewann zwei Tage später die Partie gegen Deutschland mit 1:0. Übrigens: Den Zigarrenstummel sicherte sich damals NLZ-Leiter Jürgen Jung, heute Chefscout der Löwen. Er hat ihn sich einrahmen lassen!